Marsha Mellow
es nennen soll, aber Ant würde bestimmt darauf hinweisen, dass es dieses Mal statt mit einem Löwen mit einem Bären zu tun hat.
»Ich freue mich auch, Sie kennen zu lernen, Adam«, erwidere ich, überrascht, wie gefasst ich als Marsha Mellow klinge.
»Erstaunlich, absolut erstaunlich«, schwärmt Jacobson weiter, während er auf dem Sofa mir gegenüber Platz nimmt. »Sie widerlegen den Grundsatz, dass Schriftsteller nie so aussehen ... Wie kann ich das elegant ausdrücken? ... Dass sie nie so aussehen wie das, was sie schreiben. Haben Sie sich jemals gefragt, warum sich Andy McNab nie in der Öffentlichkeit zeigt? Mag sein, dass seine Autobiografie als SAS-Agent ein Verkaufsschlager ist, aber seine äußere Erscheinung ist schlichtweg ein Graus ... Sagen Sie, Marsha, stammen Sie aus London oder aus der Provinz?«
»Aus London«, antworte ich automatisch, »Crouch En...«
Mary verpasst mir einen - heftigen - Tritt und fährt dazwischen: »Aber, aber, Adam. Du kennst doch die Regeln. Marsha ist nicht hier, um ihre Lebensgeschichte zu erzählen.«
»Natürlich, Mary«, säuselt er. »Wisst ihr, bevor wir uns dem Geschäftlichen widmen, sollten wir uns Champagner aufs Zimmer kommen lassen. Schließlich müssen wir unbedingt auf ein beachtliches Erstlingswerk anstoßen ... Und selbstverständlich auch auf den Herausgeber der Mail für die kostenlose Werbung landesweit.«
Doch, der gefällt mir. Scheint gar nicht so übel zu sein. Ich lehne mich zurück und entspanne mich zum ersten Mal seit dem Aufwachen heute Morgen. Als er zum Hörer greift, passiert mir ein Missgeschick bei dem Versuch, die Beine übereinander zu schlagen, woraufhin ich deutlich ein paar Nähte reißen höre. Ich presse von nun an besser die Knie gegeneinander, wenn ich nicht hier und jetzt herausfinden möchte, wie man auf schnelle Art aus diesem verdammten Kleid herauskommt.
Ich bin leicht angesäuselt. Zwei Gläser von dem Prickelwasser haben gereicht, um mit der Rolle warm zu werden. Ich bin Marsha Mellow, die coole Braut, die »allein auf weiter Front der modernen Literatur ein neues Gesicht verleiht«, die »zweifelsohne wichtigste Nachwuchsautorin im heutigen England«, das Biest, »deren sengende Prosa für ordentlich Wind in den muffigen Verlagskorridoren sorgt«. Oder so ähnlich - im Moment bin ich zu beschwipst, um mich wortgenau zu erinnern. Wie auch immer, Jacobson legt sich jedenfalls voll ins Zeug, und ich genieße es.
Nachdem er die zweite Flasche entkorkt hat, füllt er mein Glas auf. Ich bin jetzt... gaaanz ... entspannt. Und zwar so sehr, dass mein Hintern vom Sofa zu rutschen droht. Ich hoffe bloß, dass ich nicht längst eingeschlafen bin, wenn er irgendwann mit dem Gesülze fertig ist und zum geschäftlichen Teil kommt. Offenbar hat Mary denselben Gedanken, denn sie ergreift jetzt die Initiative. »So, Adam, auch wenn es noch so angenehm ist, deinen Lobeshymnen über Marsha zu lauschen, sind wir eigentlich aus einem anderen Grund hier.«
»In der Tat, Mary, in der Tat«, entgegnet Jacobson, der irgendwie erleichtert wirkt, dass er mal eine Pause beim Arschkriechen einlegen kann. »Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir sehr erfreut darüber sind, dass es uns gelungen ist, Marshas Erstlingswerk unter Vertrag zu nehmen. Nichtsdestotrotz wären wir an einer langjährigen Zusammenarbeit interessiert. Es gibt für einen Verleger nämlich nichts Erfreulicheres, als mitzuverfolgen, wie seine Nachwuchsautoren sich entwickeln. Aus diesem Grund möchten wir einen Vorschuss für...« Er unterbricht sich kurz und sieht mich an. »... für die nächsten drei Romane von Marsha Mellow bieten.«
Drei! Hat er »drei« gesagt? Ich weiß ja nicht einmal, ob ich einen weiteren zu Stande bringe. Muss mich jetzt mal konzentrieren. Ruckartig richte ich mich auf. Blöde Idee, zumal das Kleid meine Bewegung nicht mitmacht. Ich spüre, wie eine weitere Rippe bricht, und mir entfährt ein unfreiwilliges »Autsch«. Mary versucht, es zu ersticken, indem sie auf meinen bereits in Mitleidenschaft gezogenen Zeh stampft. Gleichzeitig fragt sie: »Kannst du uns auch eine Zahl nennen, Adam?«
»Oh ja. Wir von Smith Jacobson setzen großes Vertrauen in Sie, Marsha, was sich unserer Meinung nach auch in dem Angebot widerspiegelt, das wir Ihnen unterbreiten möchten.«
Daraufhin schnappt er sich den hoteleigenen Notizblock vom Couchtisch, schraubt den Deckel von seinem Füller und notiert die Zahl. Anschließend reißt er den Zettel ab, faltet ihn
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