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Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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nur die innere Schönheit. Wo sind die Einstiche an seinen Unterarmen? Und wo das umgekehrte Kruzifix und/beziehungsweise das Fläschchen Blut um den Hals? Das Charlie-Manson-Hakenkreuz-Tattoo auf der Stirn? Eigentlich kann er nichts vorweisen, worauf Lisa bei Typen sonst immer abfährt... Vielleicht ist er ja gepierct... Sie wissen schon ... Zwischen den Beinen. Nee, dafür ist er nicht der Typ, mit dem Anzug. Dafür wirkt er... viel zu ... seriös.
    Es muss einen Haken geben.
    »Der sieht ziemlich niedlich aus«, sage ich weiter, wobei ich ein Adjektiv benutze, das ich bei ihren Exfreunden nie verwendet hätte. »Und, ehrlich gesagt, macht er auch keinen gestörten Eindruck ... Das habe ich bloß gesagt, weil ich ihn vorhin nicht richtig sehen konnte ... du weißt schon ... durch die Scheibe.«
    Inzwischen ist es Dan endlich gelungen, den Barkeeper auf sich aufmerksam zu machen - was allerdings auch auf den Umstand zurückzuführen sein könnte, dass er dort mittlerweile als Einziger steht -, und er dreht sich zu uns um und strahlt uns mit einem triumphierenden und schiefen Grinsen an ... wobei (bitte, lieber Gott, vergib mir) er wirklich einen gestörten Eindruck macht.
    Seit einer halben Stunde versucht Dan zu erklären, womit er seinen Lebensunterhalt verdient. Er ist Eigentümer von Rushe Forward Investments , einem Finanzdienstleister, und er bietet... ähm ... Finanzdienstleistungen an. Sie wissen schon, vorwärts denken und investieren statt rückwärts, seitwärts oder diagonal... Eigentlich habe ich nicht ansatzweise verstanden, was er genau macht. Ich komme mir richtig dumm vor, bin aber etwas getröstet, als Lisa - die bereits seit zwei Jahren fest mit ihm zusammen ist - sich ein Herz fasst und herausplatzt: »Jetzt kapier ich erst... Dann hat das gar nichts mit Mobilität im herkömmlichen Sinn zu tun?!«
    Zeit für einen Themenwechsel.
    »So so, nach Hongkong also? Ganz schön weit weg«, sage ich.
    »Exakt 6377 Seemeilen«, bemerkt Dan und vermittelt mir damit den Eindruck, dass er großen Wert auf Genauigkeit legt. »Ich ... äh ... kenne mich auf dem asiatischen Markt ganz gut aus«, redet er weiter, wobei er seine Brille abnimmt und anfängt, damit herumzuspielen. »Die wollen mich unbedingt haben, tja, und jetzt haben sie die Firma gekauft, um über mich verfügen zu können. Ich hoffe bloß, ich kann Lisa dazu überreden, mitzukommen.«
    »Das ist ein gewaltiger Schritt«, ergreife ich das Wort für meine Schwester, »und ich bin mir nicht sicher, wie sie über die Quallen denkt.«
    Dan macht ein ratloses Gesicht.
    »Das habe ich dir doch erzählt«, schaltet sich Lisa ein. »Das ist dort das Nationalgericht.«
    »Aber die essen auch andere Sachen«, entgegnet er. »Beispielsweise Huhn, Rind, Junghirsch, Barsch, Fuchs, Schlange, Meeresschnecken ...«
    Lisa ist schon ganz grün im Gesicht. Hätte er mal besser nach »Rind« aufgehört.
    »Nun ja, das ist eine wirklich schwierige Entscheidung für Lisa«, sage ich.
    »Ich weiß, was sie momentan durchmacht«, erwidert Dan, wobei er tröstend die Hand auf ihre legt. »Du machst mit mir schon so einiges mit, nicht wahr, Süßes?«
    Sie sieht ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Beispielsweise damals«, fährt er fort, »als ich in den sauren Apfel beißen musste und sogar meinen Rücktritt - autsch!«
    Entweder wurde Dan gerade von einer Wespe gestochen - und zwar einer Killerwespe, denn er hält sich das Schienbein und ihm stehen Tränen in den Augen oder Lisa hat ihm einen gehörigen Tritt verpasst.
    »Musst du nicht nach Hause und die Koffer packen für morgen?«, meint sie, wobei es nicht wie eine Frage klingt - sondern wie ein Befehl.
    »Was sollte das eben?«, frage ich, nachdem ich die rührselige Abschiedsszene verfolgt habe.
    »Was meinst du?«
    »Du weißt schon, dein zarter Tritt gegen sein Schienbein vorhin. Was war das für ein Rücktritt?«
    »Ach, nichts. Irgend so ein blöder Sitz in irgendeinem städtischen Ausschuss.«
    »Komm schon, du redest mit mir. Ich kenne dich besser als jeder andere. Worum ging es da?«
    »Um nichts. Ich wollte bloß, dass er nach Hause geht - er muss morgen nämlich in aller Herrgottsfrühe aufstehen. Egal, du kennst mich überhaupt nicht. Du hast erwartet, dass ich mit einem kriminellen Schlägertypen zusammen bin.«
    Womit sie sich in finsteres Schweigen hüllt.
    Ich muss dem auf den Grund gehen, zumal sie mir irgendetwas verheimlicht. Allmählich bekomme ich nämlich den Eindruck, dass Dan schlimmer

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