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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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herumstanden, wo sie Freier aufgabeln konnten, ohne dass Fragen gestellt wurden. Es wurde sichtbar in dem stummen Nicken, das die Bootsmänner sich zuwarfen, in dem müden Lächeln, das die Kellner ihren Gästen zum Dank für ein Trinkgeld schenkten, das sie sowieso nicht würden behalten dürfen.
    Marcellos Frist verstrich, und dennoch tauchten die beiden unbeirrt ab in den Morast Venedigs, in die dunklen, stinkenden Gewässer, deren Zustand sich im Laufe der Jahrhunderte stetig verschlimmert hatte.
    Und dann stießen sie schließlich auf Bob Findlater.
    Genauer gesagt fand Bob Findlater sie. Ein höflicher Telefonanruf im Hauptquartier, bei dem er um ein Treffen bat, »sobald es machbar sei«. Schwierigkeiten gab es, weil er kaum ein Wort Italienisch sprach. Piolas Englisch war miserabel, dafür beherrschte Kat es fast fließend. Sie hatten auch einen Übersetzer herbestellt, nur für den Notfall.
    Er trat ein, ohne Anwalt, nur mit seinem Ausweis und einem entschuldigenden Lächeln.
    »Mein Name ist Robert Findlater«, begann er. »Obwohl mich die meisten Leute Bob nennen. Ich bin amerikanischer Staatsbürger, und ich glaube, Ihnen erklären zu können, weshalb Barbara Holton und Jelena Babi ć sterben mussten.«
    Er war ein hochgewachsener Mann, ziemlich stämmig gebaut, Anfang vierzig, mit militärisch kurzem Bürstenhaarschnitt. Als er die Jacke abnahm, beulte sein Bizeps darunter ein teures T-Shirt aus.
    Er legte eine Fotografie auf den Tisch, die ein dunkelhaariges Mädchen von etwa siebzehn oder achtzehn Jahren zeigte. Es handelte sich um das gleiche Bild, das Kat in den Bars von Santa Lucia herumgezeigt hatte.
    »Das ist meine Tochter«, sagte er. »Melina Kova č evi ć . Sie ist verschwunden.«
    »Fahren Sie fort«, forderte Kat ihn auf.
    Er schien zu zögern. »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Schon gut. Erzählen Sie es uns in Ihren eigenen Worten.«
    So lief das bei Befragungen: Beim ersten Mal gestand man den Leuten zu, dass sie alles rausließen, ohne unterbrochen zu werden. Beim zweiten Mal ging man alles noch mal durch mit ihnen und erkundigte sich nach Details, man löcherte sie und hinterfragte alles kritisch. Dann kaute man sämtliche Informationen ein weiteres Mal durch, um sicherzugehen, dass man alles verstanden hatte, dass es nichts mehr gab, was der Befragte hinzufügen könnte.
    Wenn es ein viertes Mal gab, dann aus dem Grund, weil man überzeugt war, dass er gelogen hatte.
    »Ich war acht Jahre lang beim Militär«, setzte er an. »Ich habe im Golfkrieg gekämpft und war 1990 kurz davor, meinen Dienst zu quittieren, als mir eine Versetzung zur UNPROFOR – der Schutztruppe der Vereinten Nationen – in Aussicht gestellt wurde. Wir waren die erste Friedenstruppe, die in die Krajina kam. Die Gegend zählt natürlich heute zu Kroatien, aber damals war sie ein Teil des ehemaligen Jugoslawiens.«
    Es waren, so berichtete er, außergewöhnliche Zeiten. Obwohl er bereits den Kampfeinsatz im Irak erlebt hatte, gab es nichts, das ihn auf die Grausamkeiten des Bürgerkriegs in Jugoslawien hätte vorbereiten können.
    »Menschen spießten ihre Nachbarn mit Bajonetten auf, ehe sie ihre Häuser abfackelten. Die Serben hatten Konzentrationslager eingerichtet und verhafteten jeden, dessen Gesicht ihnen nicht gefiel. Beide Seiten warfen mit ethnischen Hassparolen um sich. Die Männer waren hin- und hergerissen, ob sie sich lieber einer der Befreiungsarmeen anschließen oder zu Hause bei ihren Familien bleiben sollten, um sie zu beschützen. Niemand hatte was zu essen, doch an Waffen und Sprengstoff schien es keinem zu mangeln.«
    Die UN hatten eine Reihe von Schutzenklaven eingerichtet in der Krajina, so sagte er, eingenommen von den Schutztruppen. »Das Problem war nur, dass es uns ausschließlich dann erlaubt war, das Feuer zu eröffnen, wenn unser eigenes Leben in Gefahr war. Den Einwohnern wurde schnell klar, dass sie sich gegenseitig antun konnten, was sie wollten, ohne dass wir viel dagegen unternehmen konnten.«
    Eines Tages wurde seine Einheit damit beauftragt, Zivilisten aus einem Gebiet zu evakuieren, das unter schwerem Beschuss stand. »Dort traf ich Soraya – Melinas Mutter. Sie hatte sich in einem Keller verschanzt, von Schmutz und Staub bedeckt. Dennoch konnte ich sofort erkennen, wie wunderschön sie war. Sie war Bosnierin, eine muslimische Bosnierin, die einzige Gruppierung, die keine Armee hatte zu ihrem Schutz. Es grenzte an ein Wunder, dass sie derart lange überlebt hatte. Ich

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