Marter: Thriller (German Edition)
Wie ein Ameisenbau in einem Glasbehälter im Labor. Und deshalb sind Sie auch so besorgt um Carnivia, nicht wahr? Nicht wegen der vier Millionen Nutzer oder wie viele es auch sein mögen. Der Grund ist der, dass das Rätsel, für dessen Lösung Sie diese Welt geschaffen haben, noch nicht gelöst ist.«
»Hm«, erwiderte er verhalten.
Schweigen machte sich breit, gefolgt von einem Zischen, als er die Festplatte mit dem Druckluftbehälter bearbeitete.
Unter diesen Umständen, dachte sie, war das wohl die beste Antwort, die sie erwarten konnte.
Als die Festplattenbestandteile endlich vollständig trocken waren, trat Daniele aus der Kabine mit einem Kästchen in der Hand, so groß wie eine Zigarettenschachtel.
»Fertig, das Ding läuft wieder«, sagte er ganz einfach. »Oder zumindest reicht es aus, um einen Versuchslauf zu starten.«
Er schloss die Festplatte an einen Computer an, indem er sie wie einen Speicherstick einfach via USB -Kabel damit verband.
»Ich habe nicht vor, das Ding über Windows laufen zu lassen«, erklärte er, »nur für den Fall, sie ist so programmiert, dass automatisch alles gelöscht wird. So brauche ich weder Barbara Holtons Benutzernamen noch ihr Passwort.«
»Woher wissen Sie, wonach Sie zu suchen haben?«
»Weiß ich gar nicht. Aber Carnivia speichert Benutzerdaten an einem bestimmten Ort. Dort fange ich mit meiner Suche an und arbeite mich dann immer weiter zurück.«
50
Sie trafen sich in der aktuellen Kunstausstellung der Stiftung. Vier Männer, allesamt um die sechzig, von denen keiner auch nur das geringste Interesse für Kunst zeigte. Jeder von ihnen positionierte sich vor einem anderen Gemälde. Sollte ein Tourist aufkreuzen, würde die Person an der Kasse diesen wieder wegschicken und ihm erklären, dass man keine Besucher mehr einlasse, weil es fast schon Mittag sei und man schließe. Obwohl dieser Fall eher unwahrscheinlich war, da die Bilder in diesem Raum sorgfältig ausgewählt worden waren und gewiss die unzeitgemäßesten, uninteressantesten Stücke aus der Sammlung des verstorbenen Matteo Barbo darstellten.
»Ich bin mir nicht sicher, ob es so klug war, Findlater persönlich zu schicken«, sagte Ian Gilroy nachdenklich zu dem Bild direkt vor ihm.
»Wir wurden immerhin achtundvierzig Stunden im Voraus alarmiert. Niemand sonst hat die Schwere der Situation erfasst«, antwortete eine Stimme zu seiner Rechten.
Gilroy wandte sich ab, durchquerte den Raum und ging auf Ballas The Car Has Passed zu, das an einer schlichten roten Wand hing.
»Soviel ich weiß, sind die Ermittlungen der Carabinieri beendet«, sagte der dritte Mann. »Der zuständige Staatsanwalt hat mir mitgeteilt, dass der abschließende Bericht in den nächsten Tagen zu erwarten sei.«
»Kleine Korrektur«, entgegnete Gilroy. »Der Fall mag zwar offiziell abgeschlossen sein. Die Carabinieri ermitteln allerdings trotzdem noch.«
»Wenn der Prozess gegen den General erst begonnen hat, wird es sowieso zu spät sein, weitere Beweise vorzulegen«, wandte der zweite Mann ein.
»Schon möglich. Aber ich für meinen Teil würde doch gerne wissen, was für Beweise im Einzelnen noch gefunden werden könnten.« Gilroy blickte unverwandt auf das Gemälde. »Das ist eigentlich gar nicht so schlecht, finde ich. Die angedeutete Bewegung darin … Es stellt recht gut dar, dass der Betrachter zurückgelassen wird und sich fragt, was da gerade geschehen ist.«
»Jedes Ereignis hinterlässt Spuren«, sagte die dritte Stimme.
»Aber nicht jede Spur dient der Überführung eines Täters.« Gilroy beugte sich zu dem kleinen Schild neben dem Gemälde vor. Darauf waren einige Auszüge aus dem Manifest der Futuristen vermerkt. »›Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt‹«, las er laut vor, »›den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.‹« Er seufzte. »Wie es aussieht, waren das nicht gerade die umgänglichsten Typen, wie?«
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte die Stimme zu seiner Linken, offenbar darum bemüht, nicht allzu ungeduldig zu klingen.
»Ich habe einen Terrier«, sagte Gilroy, während er einen Schritt zurücktrat, um sich das Gemälde eingehend anzusehen. »Wissen Sie etwas über die Jagd mit Terriern? Der kleine Terrier wühlt sich furchtlos in den Fuchsbau, und obwohl das Tier viel zu klein und schwach ist, um den Fuchs selbst zu töten, treibt er diesen in die Enge.
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