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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Holt
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umsteigen mussten. Immer noch feucht und frierend von der Gischt, die das Schnellboot aufgewirbelt hatte, wurden die Frauen gezwungen, in den Rumpf hinabzusteigen, wo sie sich zwischen Kisten voller sich windender Meeräschen und Makrelen kauern mussten. Während die Fische um sie herum allmählich verendeten, tuckerte das Boot weiter westwärts. Der Gestank nach Diesel, Fischinnereien und Motorabgasen raubte einem in dem beengten Raum den Atem.
    Die Mädchen saßen auf ihren Koffern oder auf achtlos hingeworfenen Fischernetzen, die Köpfe gegen den vibrierenden Rumpf des Bootes gelehnt. Sie versuchten zu schlafen, so gut es ging. Alle paar Stunden öffnete sich die Luke, und ein Besatzungsmitglied in blauen Gummistiefeln und Gummioverall sprang nach unten, um einen weiteren Fang abzuladen. Er benutzte einen Bootshaken mit kurzem Griff, um die vollen Netze über die Aufbewahrungskanister zu heben, ehe er einen glitschigen, silbrigen Schwall Fische darin entleerte. Dabei warf er den Mädchen den einen oder anderen neugierigen Blick zu, mehr aber nicht. Weit größer war sein Interesse, wenn er in dem Netz einen Oktopus inmitten der Fische entdeckte. Geschickt kehrte er dessen Inneres nach außen, um Schnabel, Gehirn und Magen zu entfernen. Diese warf er in eine Kiste, die er mit an Deck nahm, um den Inhalt ins Meer zu befördern.
    Den Bootshaken ließ er zurück.
    Mit seiner scharfen Spitze war dieser tödliche Haken ihre bislang beste Waffe. Kat ließ ihn in ihrer Tasche verschwinden, ebenso ein Fischernetz, bevor sie den Laderaum nach weiteren Dingen absuchte, die sich verwenden ließen.
    Irgendwann wurden die Mädchen an Deck gebracht, wo sie auf ein weiteres Schnellboot umsteigen sollten. Dieses neue Transportmittel war ein Schlauchboot mit festem Rumpf, das dem Fischerboot sofort den Rücken kehrte und mit voller Kraft in die Dunkelheit davonpreschte. Nach etwa zwanzig Minuten näherten sie sich dem Festland. Der Form des Küstenabschnittes nach ging Kat davon aus, dass sie in den Marken anlegen würden, südlich von Ancona, einer Gegend, die zu dieser Jahreszeit so gut wie ausgestorben war.
    Diese Etappe der Reise war für die Schleuser mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die gefährlichste. Die Küstenwacht oder ein Flugzeug würde sie sofort ausmachen. Das Boot steuerte in eine kleine Felsenbucht hinein und landete direkt auf dem kiesigen Strand. Der Fahrer strahlte das Selbstvertrauen von jemandem aus, der genau wusste, dass alle nötigen Vorkehrungen getroffen waren, damit er keinen Ärger bekam.
    Vom Strand aus schleppten die Mädchen sich mit ihrem Gepäck hoch zu einer Straße, wo bereits ein Van auf sie wartete. Im Inneren des Wagens war es warm, und es roch nach Zigaretten, Schweiß und billigem Grappa. Ein paar leere Flaschen kullerten über den Boden. Kat nahm an, dass zuletzt eine Gruppe von Männern darin gereist war.
    Zwanzig Minuten später hielten sie vor einem abgelegenen Bauernhof an. Im Haus brannte Licht. Die völlig erschöpften Frauen wurden nach drinnen bugsiert.

65
    Daniele sah zu, wie die Dämmerung über Venedig anbrach. Die Nacht war lang gewesen, die Entscheidung war ihm nicht leichtgefallen.
    Pater Uriels Worte kamen ihm wieder in den Sinn. Gibt es jemand Speziellen, mit dem Sie gern eine emotionale Beziehung eingehen würden?
    Diesen Jemand gab es wirklich. Sie war blond, pragmatisch, und genau wie er war sie mit einem Fuß in der italienischen Kultur verankert aufgewachsen und mit einem in der amerikanischen. Während er die Privilegien und die Machtstellung, die ihm mit in die Wiege gelegt worden waren, verachtete, war sie im Schatten des amerikanischen Militärs groß geworden und als Erwachsene dorthin zurückgekehrt.
    Und nun war sie sein bester – und, wenn er ehrlich war, sein einziger – Trumpf in den Verhandlungen, mit denen er Carnivia retten wollte.
    Und dann war da noch Kat. Daniele hatte in der Regel keine allzu hohe Meinung von seinen Mitmenschen, Männern wie Frauen gleichermaßen. Auch Kat Tapo hatte viele Eigenheiten, die er verachtete. Sie war feurig, ungestüm, emotional und energisch. Sie neigte dazu, erst zu handeln und sich hinterher die Gründe für ihr Handeln zu überlegen. Und doch war er überrascht, als er sich selbst bei dem Gedanken ertappte, was sie wohl von ihm hielt.
    War es möglich, dass Kat ihn als Freund sah?
    Der Tag war kalt und grau wie so viele, und die Vorhersagen kündigten ein weiteres acqua alta an. Als der Himmel dieselbe Farbe annahm

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