Marter: Thriller (German Edition)
tippte »Benito Marcello« in die Suchmaschine ein. »Interessant«, meinte sie.
»Was denn?«
»Unser Herr Staatsanwalt scheint einer der erfolgreichsten Anwälte des gesamten venezianischen Rechtssystems zu sein. La Nuova Venezia bezeichnet ihn sogar als ›aufstrebenden Stern‹.«
»Ich hoffe, es folgt noch ein großes Aber.«
»Er scheint noch nie einen Fall strafrechtlich verfolgt zu haben, der gegen das organisierte Verbrechen ging. Es ist nicht so, dass er es versucht, aber nicht gewinnt. Vielmehr scheint er nie einen solchen Fall übertragen zu bekommen.«
»Oder wenn dies geschieht, dann sorgt er dafür, dass er ihn wieder loswird«, sagte Piola. »Ich dachte mir schon, dass er irgendetwas Glitschiges an sich hat, er ist viel zu aalglatt. Aber ich bin davon ausgegangen, dass es nur an seinem schleimigen Haargel liegt.«
Kat lächelte. Auch wenn letzten Endes niemand was gesagt hatte – auch wenn sie beide wachsam genug gewesen waren, sich nicht einmal durch einen unbedachten Blick zu verraten –, war trotzdem nichts mehr wie zuvor. Diese letzte Bemerkung zum Beispiel hätte er ihr gegenüber vor vierundzwanzig Stunden noch nicht fallen lassen.
Er stellte sich neben sie und blickte auf den Computerbildschirm. Ganz unwillkürlich berührte sie kurz seinen Handrücken mit ihrem eigenen. Ebenso flüchtig drückte er ihre Finger, und sofort spürte sie, wie sich ihr Puls beschleunigte. Lächerlich , dachte sie. Absolut lächerlich , trotzdem warf sie ihm ein Lächeln zu, und eine Woge der Glückseligkeit schwappte über sie hinweg, als er zurücklächelte und die Fältchen in seinen Augenwinkeln sich vertieften.
»Nun«, sagte er und wich einen Schritt zurück. »Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja – man hat das Foto gefunden, von dem Spira sprach, das, welches die Opfer den Strichmädchen gezeigt haben. Es lag bei den restlichen Sachen aus dem Hotelzimmer, die noch nicht registriert waren.«
Er reichte ihr das Bild. Darauf war ein hübsches dunkelhaariges Mädchen zu sehen, gewiss nicht viel älter als sechzehn oder siebzehn.
»Es gab mehrere Abzüge. Und«, fuhr er fort, während er einen Asservatenbeutel hochhielt, »man fand sie hier drinnen, sie waren zwischen die Seiten gesteckt.« In der Tüte befand sich ein Buch. Auf dem Umschlag waren die Worte Svetom Pismu zu lesen.
»Ist das eine Bibel?«
Er nickte. »Kroatisch. Und nein, sie ist nicht mit okkulten Symbolen verunstaltet, keine umgekehrten Kreuze oder irgendwas von diesem Unsinn.«
»Ich möchte wetten, die Haarsträhne, die wir gefunden haben, stammt ebenfalls von dem Mädchen auf dem Foto. Wir sollten die DNA mit unserer Datenbank abgleichen. Außerdem sollten wir selbst das Foto mal rumzeigen. Es ist zwar noch viel zu früh, aber heute Abend könnte ich es mal auf den Straßen um Santa Lucia herum probieren.«
Später an diesem Tag wurde ein riesiger Strauß Blumen für sie im Büro abgegeben. Es gab keine Nachricht, doch fand sie eine E-Mail von ihrem Boss in ihrem Posteingang.
Ich dachte, ich schicke dir lieber mal Blumen, bevor dieses Arschloch es noch tut.
Sie lächelte in sich hinein und antwortete auf die Nachricht mit den folgenden einfachen Worten:
Fühle mich geehrt.
Sie würde vorsichtig sein. Sie würde vorsichtig sein und dafür sorgen, dass das, was im Inneren der Seifenblase geschah, auch dort eingeschlossen blieb.
So kam es also, dass sie, als sie gegen vier Uhr den Campo San Zaccaria verließ, um nach Hause zu fahren und in Klamotten zu wechseln, die sich besser dazu eigneten, einen langen, kalten Abend in den zwielichtigen Bars der Bahnhofsgegend zu verbringen, einen großen Strauß Blumen in der Hand trug. Der Anblick einer attraktiven Beamtin der Carabinieri mit Blumen in der Hand stellte sich als unwiderstehliches Motiv für den wartenden Fotografen heraus, der gleich zwei Schnappschüsse von ihr gemacht hatte, ehe sie überhaupt registrierte, dass er seine Kamera auf sie gerichtet hatte.
Da war auch ein Journalist, der neben ihr herlief, als sie nicht stehen bleiben wollte, und ihr zwar eine Frage nach der anderen stellte, sich dann aber kaum die Zeit nahm, eine Antwort abzuwarten. »Sind Sie an den Ermittlungen im Fall der Satanistenmorde beteiligt, Capitano? Können Sie bestätigen, dass die beiden Frauen ein Liebespaar waren? Stimmt es, dass die Morde mit der Carnivia-Website in Verbindung stehen?«
»Kein Kommentar«, murmelte sie und ging einfach weiter. Es war lächerlich – der Journalist
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