Martha im Gepaeck
hundert Pfund verlieren. Das bedeutete noch weniger Geld in der Reisekasse. Sie musste diesen Irrsinn stoppen. Aber wie? Die Männer um sie herum sahen nicht so aus, als ob sie sich ihren Spaß nehmen lassen wollten. Sie würden sie verteidigen, ihre Truckerehre, ihre Spielerehre oder wie auch immer das hieß. Aber war Glücksspiel nicht verboten? Garantiert war es verboten! Sollte Karen die Polizei rufen? Aber wo konnte sie sich bis zu deren Eintreffen verstecken? Und würde man Martha verhaften, oder gab es da ein Gesetz, dass sie wegen Demenz vor Bestrafung schützen würde?
»Sie steigen aus!« Der Mann neben Karen pfiff leise durch die Zähne. Die beiden anderen Mitspieler legten ihre Karten auf den Tisch. »Jetzt sind sie nur noch zu zweit.«
»Ich erhöhe«, sagte Martha plötzlich. »Um fünfhundert.« Sie zog ein Bündel Banknoten aus ihrer Handtasche und warf sie auf den Haufen. Ein paar Scheine landeten daneben und rollten sich auseinander, fast, als ob sie sich wohlig streckten. Karen stöhnte unwillkürlich auf.
»Was ist jetzt? Sag doch mal was«, hörte sie Bernd von hinten. Karen wollte ihm antworten, aber sie brachte keinen Ton heraus.
In Dwaynes Augen glitzerte eine boshafte Freude. Er griff in seine Hosentasche, ohne den Blick von Martha abzuwenden, und warf gleich sein ganzes Portemonnaie auf den Geldhaufen. »Sind genau fünfhundert drin. Mein Wochenlohn.« Er grinste. »Kannst nachzählen, wenn du willst.«
»Ich glaub’s dir«, sagte Martha. »Hast ein ehrliches Gesicht.«
Dwayne lachte polternd. Er schüttelte dabei den Kopf, als ob er gar nicht glauben konnte, was hier passierte. Dann klatschte er seine Karten auf den Tisch und sprang auf. Er riss jubelnd die Arme hoch. » Fuck! Showdown! Ich habe einen Vierling!«
Martha guckte immer noch wie eine liebe Märchen-Oma, beugte sich vor und griff nach den Geldscheinen. Dann legte sie ebenfalls ihre Karten auf den Tisch und sagte lächelnd: » Straight Flush. «
Dwaynes Lächeln erstarb, als hätte jemand den Stecker rausgezogen. Ein Raunen ging durch die Menge.
»Ich sehe nichts«, beschwerte Bernd sich irgendwo hinter Karen. »Was ist denn los?«
»Wieso hat die so gute Karten? Ich dachte, die Oma blufft.« Dwayne war außer sich vor Empörung. »Aber sie hat gar nicht geblufft!«
»Ist ja nicht verboten, oder?« Martha schaufelte das Geld in ihre offene Handtasche hinein. Dann stand sie umständlich auf und sah sich um, als ob sie die anderen jetzt erst wahrnähme.
»Ja, is nich verboten, Dwayne«, bestätigte ein Mann mit blonden Haaren. Er half Martha beim Aufstehen.
»Okay, okay. Klar, kein Problem. Ist nicht verboten. Natürlich nicht. Fuck! Alles klar. Wir machen ein Päuschen, und dann spielen wir weiter, nicht wahr, Lady?« Dwayne hing an Marthas Lippen.
»Habe ich nicht vor«, gab diese zurück. »Mir reicht es für heute. Ich bin müde. Bin ja nicht mehr die Jüngste.« Sie kicherte und gab Dwayne einen Klaps auf die Schulter. »War mir ein Vergnügen, Gentlemen«, sagte sie in die Runde. Sie schlenderte zu Karen und Bernd, wobei sich die Menge vor ihr teilte wie das Rote Meer vor Moses, so dass Dwayne jetzt ins Blickfeld rückte, der von einem seiner Kumpane in einer Art Würgegriff festgehalten wurde.
»Lady«, brüllte er. »Lady, wir spielen nachher weiter, ist das klar? Sonst …« Er warf Bernd und Karen einen hasserfüllten Blick zu.
»Martha«, gelang es Karen zu sagen. »Was genau hast du hier gemacht?«
»Ja«, kam es auch von Bernd. »Was hast du gemacht?«
»Gepokert. Und gewonnen. Über 1000 Pfund. Freu dich, meine Liebe. Wir wollten doch einkaufen.«
»Warum ist Dwayne so böse?«, fragte Teresa.
»Er ist ein schlechter Verlierer, meine Kleine.«
»Morgen!«, rief Dwayne. »Morgen früh, bevor ich weiterfahre, verstanden! Um sechs! Eine Runde. Eine letzte Runde!«
»Ja, ja«, rief Karen und winkte ab. »Ist ja gut. Beruhigen Sie sich doch endlich.«
»Morgen früh!«
»Ja!«
»Das hättest du jetzt nicht sagen dürfen«, sagte Martha.
»Wieso nicht?«
»Weil er jetzt morgen früh um sechs bei mir aufkreuzen und darauf bestehen wird, sein Geld zurückzugewinnen.«
Karen lief es eiskalt den Rücken hinunter. Sie fing Bernds panischen Blick auf. Er hatte diesen furchtbaren Dwayne von Anfang an nicht gemocht, und die Vorstellung, sich mit ihm wegen Karens übergeschnappter Großtante prügeln zu müssen, verursachte ihm offenbar jetzt schon Magenkrämpfe.
»Hast du echt über 1000 Pfund
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