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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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dabei gewesen sein; aber so ein modernes Theaterstück, da muß man erst abwarten, was die Bekannten dazu sagen, und ob man überhaupt die Komtesse hineinführen kann ...
    Sylvia richtete ihr Glas von Loge zu Loge. Endlich traf sie auf ein paar bekannte Gesichter: Gräfin Ranegg mit ihren Töchtern Cajetane und Christine und bei ihnen – Kolnos. Dieser schaute eben herüber und erkannte sie. Er stand auf und verabschiedete sich – offenbar wollte er zu ihr kommen. Eine Minute später trat er auch schon in ihre Loge ein.
    »Ganz allein, Gräfin Sylvia? Und Ihre Mutter?« »Sie ist nicht ganz wohl.« »Doch nichts Bedeutendes?« »Nein, eine leichte Erkältung. Was sagen Sie, Graf Kolnos, ist's nicht wunderschön?«
    »Ja – er läßt sich sehr gut an. Wer hätte das hinter dem kleinen Bresser gesucht? ... Ich sehe ihn nämlich immer noch als kleinen Buben vor mir.«
    »Was sagen die anderen? Wie urteilt die Ranegg?«
    »Sie hat nichts über das Stück gesprochen.«
    »Aber Sie haben doch schon Urteile aufgefangen? Der Beifall ist ja groß – sind die Leute nicht entzückt?« »Sind Sie es, liebe Sylvia?«
    »Ja.«
    »Für die anderen ist der Ausdruck zu stark. »Entzückt« über eine Dichtung – das kommt bei uns nicht vor. Man schwärmt für einzelne Künstler in gewissen Rollen – das Stück ist Nebensache. Bewunderung kehrt man höchstens für die Klassiker hervor, da ist man auf sicherem Boden ... den neuen, noch lebenden Autoren gegenüber ist man voller Mißtrauen.«
    »Gehören Sie auch zu diesen »man«?«
    »Einigermaßen. Ich begeistere mich auch nicht so leicht; ich müßte das Werk erst lesen – es sind so viele äußere Effekte darin, welche blenden ... beinahe wie in einem Ballett.«
    »Und ist es nicht auch dichterische Kunst, wenn man mit Bildern, mit aus höchstem Phantasiereichtum geschöpften Bildern die Zuschauer in bezauberte Stimmung versetzt? ...«
    »Eigentlich ja – aber warten wir erst das Ende ab.«
    »Das Ende wird ebenso schön wie der Anfang – das fühle ich zuversichtlich – Hugo Bresser ist ein großer Dichter –«
    »Sylvia, wissen Sie, daß die Leute sagen, daß Hugo Bresser Ihnen nicht gleichgültig ist? – O, erröten Sie nicht und entrüsten Sie sich nicht – ich bin der letzte, der daran Anstoß nähme, wenn es wahr wäre. Nur finde ich, daß es die Leute nichts angeht, daß sie's nicht zu merken brauchten ...«
    »Noch nie war mir dieser Sammelbegriff gleichgültiger als heute.«
    »Welcher Sammelbegriff?« »Das, was Sie Leute nannten – Leute, die so freundlich sind, mir ins Herz schauen zu wollen.«
    »Mein Gott – man muß doch etwas zu reden haben. Besonders so lang etwas nur vermutet, nur gewittert wird – ist's interessant, weiß man es einmal, so schweigt man einverständlich dazu. Daß die Gräfin X ein Verhältnis mit dem Opernkapellmeister hat; daß Fürst Ypsilon schon seit Jahren der begünstigte Hausfreund der Baronin Z. ist: das sind alles so landläufige Kenntnisse, über die man kein Wort mehr verliert; höchstens konstatiert man es – aber nicht in medisantem Ton – nur um zu zeigen, daß man auf dem Laufenden ist ... Jetzt verlasse ich Sie, liebe Sylvia, der dritte Akt beginnt.«
    Mit dem Aufrollen des Vorhangs war Sylvia wieder in die Zauberwelt versetzt – ein befreiender Gegensatz zu dem Stückchen wirklicher Welt, das sich in Kolno's satyrischem Berichte gespiegelt hatte.
    Der dritte und letzte Akt überflügelten noch die zwei ersten an dramatischen Effekten und an poetischer Kunst. Zum Schluß erhob sich ein wahrer Beifallssturm. Es war ein ganzer, ein großer Erfolg.
    Sylvia ließ sich im Logensalon auf das kleine Sofa fallen und mit geschlossenen Augen und zurückgelehntem Kopfe saß sie da. Sie fühlte sich so erschüttert, so berauscht, daß sie um alles in der Welt jetzt nicht da hinausgehen wollte, in das Gedränge der Korridore und Treppen, wo sie riskierte, von Bekannten angesprochen zu werden, die, als wäre nichts geschehen, sie mit einem nüchternen »Guten Abend« angesprochen hätten und dazu: »Wie hat es Ihnen gefallen – es war ja ganz hübsch.«
    Sie wollte abwarten, bis sich das Publikum ganz verzogen hatte. Wie sie so dalag, rief sie sich die Bilder zurück, die an ihren geblendeten Augen vorübergezogen waren und schwelgte in den neuen Sensationen, unter denen sie erbebte und erglühte. » Grande amoureuse « – wie einmal ihre Mutter sie genannt – ja, als das fühlte sie sich jetzt. Eine große Liebende, –

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