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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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schaltet als deren legitime hochangesehene Herrscherin. Sie betrachtet man als Grundlage der Ordnung, als Schutz vor Gefahren; sie ist die Spenderin der höchsten Ehren, die Vollzieherin des Rechts. Der Glanz und Stolz der Nationen beruht auf der gewaltgesicherten Macht; Gewalttaten werden Großtaten genannt; zur Erlangung von Orden und Würden, zur Betätigung von Pflichttreue und Mut, zur Verteidigung und Eroberung der »höchsten Güter« dient als Mittel der Totschlag.
    Und dieses System ist so tief gewurzelt in allen unseren Einrichtungen, in der Erziehung, im Unbewußten – daß die meisten unter uns im Dienste des Drachen Gewalt leben und sterben, ohne ihn nur einmal in die bluttriefenden Augen geschaut zu haben.
    Die wenigen, die das Ungetüm in seiner Entsetzlichkeit erkennen, die werden von tiefem Schauer durchbebt – Schauer und Schmerz. Töten, töten, töten ... wenn man sich in den Sinn dieses Wortes versenkt, und dabei die Einbildungskraft (die ja bei abstrahierten Begriffen so selten mittut) spielen läßt, und sich vorstellt, wie man das Eisen in die Brust des Bruders bohren, oder unter seinem Hieb verbluten soll, und wenn man als letzten Schluß der Zivilisation das Schlachtmesser – ob man es auch hochtrabend Schwert nennt – walten sieht, da wird man von dem St. Georgsfeuer erfaßt: das Scheusal muß überwunden werden.«
    Wieder eine Applaussalve.
    Kopfschüttelnd fuhr Rudolf fort: »Wenn ich im Eifer meines Gefühls mich zu etwas heftiger Sprache mit gewalttätigen Bildern hinreißen lasse, so lohnt mich Ihr Beifall. Aber, daß ich's nur gleich sage: Zur Überwindung der Gewalt denke ich mir keinerlei Gewalttaten. So lange man glaubt, das Böse mit Bösem vertreiben zu können, wird der Gewaltring nicht gebrochen, der uns umklammert hält.
    Der Gang der Kultur ist das Zurückweichen der Gewalt vor dem Recht. Noch sind wir auf diesem Wege nicht weit vorgeschritten; aber jedenfalls wird die menschliche Gemeinschaft in derselben Richtung weiter sich bewegen, bis zum Eintritt in die gewaltlose Ära, in die »Kriegslose Zeit« – wie dies vom Versöhnungsapostel Egidy – der selber ein tapferer Soldat war – geprägte Wort lautet. Was wir tun können, ist die Beschleunigung dieser Entwicklung; – aber jedes brutale Mittel: Aufruhr, Attentat, Verfolgung – verfehlt den Zweck, und verzögert den Gang der Kultur.
    Revolution predige ich nicht. Ich rufe auch nicht dem Publikum zu: »Gehet hin und schaffet dieses oder jenes ab,« denn ich weiß, daß wir nicht direkt aus diesem Musiksaal herausgehen können, ein kleines Häuflein Leute, selbst wenn wir eines Sinnes wären, was wir gewiß nicht sind – um heute abend noch, oder morgen früh, die gleichgültige Masse draußen mitzureißen, die Gegner zu bekehren und jahrtausend alte Institutionen umzustoßen. Ich sage nur dieses, den Unzufriedenen zum Trost, den Zufriedenen zur Warnung: die Wandlung vollzieht sich schon.«
    Und so wie er vorhin die Zustände aufgezählt, die mit ihren Qualen und Lasten die Gegenwart bedrücken, so nannte er jetzt, eine nach der anderen, die verschiedenen Bewegungen und Organisationen, welche eine glücklichere und gerechtere Zukunft vorbereiten; und neben den sichtbaren Organisationen auch die unsichtbaren Stimmungen im Zeitgeist, durch die ein höheres Menschentum und damit auch eine höhere soziale Ordnung sich ankündigt.
    »Noch etwas zum Schluß. Ich habe von Eintracht, Wohlstand, Friede, Freiheit gesprochen und gezeigt, wie viele Keime schon sprießen, aus denen der Garten des kommenden Paradieses hervorblühen wird. Und da bin ich mir des Spottes wohl bewußt, der aus gar weisen Hirnen auf mich niederträufeln wird. – – O, der naive Tor, wird es heißen – er sieht nicht, wie die praktische Welt auf das Gegeneinander und nicht auf sein empfohlenes Neben- und Füreinander eingerichtet ist; er sieht nicht, wie die Interessen überall im Kampfe liegen, er hört nichts vom Lärm der Parteizwiste, des Klassenloses, der Rassenverfolgungen, er weiß nicht, wie die Geister von altem und neuem Aberglauben befanden sind – o der blinde, taube Träumer!«
    »Darauf will ich antworten: Alles das sehen und hören wir nur zu deutlich, wir, die wir eine schönere Zukunft vorhersagen; wir sehen und hören sogar schärfer als die anderen, denn unter der wuchernden alten Riesenvegetation sehen wir auch die blaßgrünen Hälmchen der künftigen Flora; durch den wüsten Lärm des Heute vernehmen wir doch schon den noch

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