Martin, Kat - Perlen Serie
dich empfindet, ist ganz offensicht- lich. Kein Mann würde seiner Frau einen solchen Fehltritt ver- zeihen, wenn er sie nicht von ganzem Herzen liebte."
„Ich habe ja gar nichts getan!"
„Nein, aber er denkt, dass du es getan hast, und liebt dich dennoch. Irgendwie ist das furchtbar romantisch!"
Tory war sich nicht sicher, was Cord wirklich für sie emp- fand. Ihrer Liebe zu ihm war sie sich hingegen sicher, und sie genoss jede Minute, die sie mit ihm verbrachte. Nie zuvor hat- te er ihr so viel seiner Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet. Er begleitete sie in die Oper, ins Theater und fuhr mit ihr in die Bond Street zum Einkaufen.
Er überhäufte sie mit Kleidern, Handschuhen und Hüten, suchte ihr raffinierte seidene Wäsche aus, die sie peinlichst be- rührt aus dem Laden trug und es dabei kaum erwarten konn- te, sie für ihn anzuziehen. Exotisch duftende Parfüms, hand-
bemalte Fächer und ein Dutzend Paar feinster Schuhe aus weichem Leder kaufte er für sie ein. Sie bekam sogar ihre ei- gene Kutsche. Und natürlich Schmuck - eine wunderschöne Brosche mit einem Saphir, ein Paar granatbesetzte Ohrringe, einen Ring mit Diamanten und Smaragden, der so groß war, dass ihre Hand dagegen winzig schien ...
„Er hat meiner Mutter gehört", erzählte Cord etwas ent- schuldigend. „Sie war größer und kräftiger als du. Wir werden den Ring umarbeiten lassen."
Ihr liebstes Geschenk war und blieb aber die Brautkette, die er ihr am Tag ihrer Hochzeit gegeben hatte. Sobald sie das Schmuckstück anlegte, fühlte sie sich auf wundersame Weise sicher und geborgen. All ihre Sorgen, die ihr ansonsten unab- lässig durch den Sinn gingen, fielen mit einem Mal von ihr ab. Sie hatte die Kette auch an dem Abend getragen, als sie zu dem Abendessen mit Cords Familie im Stadthaus von Captain Ethan Sharpe, nun Marquess of Beiford, gegangen waren.
Sie war unschlüssig, was sie von Cords Cousin halten sollte. Je mehr er sich erholte und wieder an Gewicht zulegte, desto besser begann er auszusehen. Aber er war kühl und distan- ziert, sehr ruhig, und oft wirkte er fast schon einschüchternd auf sie. Seine hellen, undurchdringlichen Augen beunruhigten sie. Sie wusste, was er durchgemacht hatte und dass er ent- schlossen war, sich für das, was ihm und seiner Mannschaft angetan worden war, zu rächen.
Sie konnte nicht umhin, dem Marquess im Stillen zu wün- schen, dass er seine Rachepläne nicht in die Tat würde umset- zen müssen.
Doch eigentlich war es ihr Mann, dem in diesen Tagen ihre ganze Aufmerksamkeit galt. Seine Wunde machte ihr weiter- hin Sorgen, zumal sie wusste, dass er noch immer Schmerzen hatte, allerdings fest entschlossen schien, sich nichts davon anmerken zu lassen.
An einem der folgenden Abende besuchten sie eine Abend- gesellschaft des Duke of Tarrington. Wie im Rausch tanzten sie zusammen, und wann immer sie Cords goldbraune Augen auf sich ruhen fühlte, spürte Tory, wie ihr das Blut warm in die Wangen stieg.
Sie kannte diesen Blick. Er begehrte sie. Dennoch versagte er sich sein Verlangen - und versagte damit nicht nur sich selbst, sondern auch ihr, wonach sie beide sich sehnten. Sie konnte dafür keine andere Erklärung finden, als dass er immer
noch zu glauben schien, dass sie sich einem anderen Mann hin- gegeben hatte.
Ihre Gedanken kehrten immer wieder zu jenem Abend zu- rück, an dem sie und Cord das letzte Mal auf Tarrington Park gewesen waren. Damals hatte er sie mit sich in die Wäsche- kammer gezogen und sie leidenschaftlich geliebt. Sie fragte sich, was wohl geschähe, wenn sie nun ihrerseits ...
Wäre Cord in diesem Moment in ihrer Nähe gewesen, hätte sie es vielleicht sogar gewagt, doch er stand etwas weiter ent- fernt in ein Gespräch mit seinem Freund, dem Duke of Shef- field, vertieft. Gerade begann sie, in Richtung der beiden Män- ner zu gehen, da sah sie ihren Stiefvater auf sich zukommen. Ihr entging nicht das selbstgefällige Lächeln, das seine schma- len Lippen umspielte.
„Nun, Victoria ... wie lange haben wir beide uns schon nicht mehr gesehen?"
Sie erschauderte leicht. Noch nicht lange genug, dachte sie. Sie atmete tief durch und straffte die Schultern. „Guten Abend, Mylord. Ich wusste gar nicht, dass Sie in London sind."
„Oh, ich bin geschäftlich hier." Er drehte sein Champagner- glas spielerisch zwischen seinen langen, knochigen Fingern. „Ich habe nämlich ein sehr interessantes Angebot für Windme- re bekommen."
Tory verspürte ein flaues Gefühl im Magen.
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