Martin, Kat - Perlen Serie
respektieren, ja sogar zu bewundern. Durch die Intrigen der anderen Hausangestellten unbeirrt, ging sie ihrer Arbeit nach. Sie war klug und aufgeweckt, lebhaft und gegen- über denen, die sie liebte, loyal. Und sie hatte allem Anschein nach ihre Prinzipien - wie er soeben hatte feststellen können. Sie hatte wahrlich etwas Besseres verdient als eine kurze Liebschaft, wie er sie ihr vorgeschlagen hatte.
Sein Respekt vor ihrer Entscheidung änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er sie begehrte. Er zog sich aus, um zu Bett zu gehen, und spürte, wie sein ganzer Körper noch immer nach ihr verlangte. Die Erinnerung an ihre zugleich unschul- digen und leidenschaftlichen Küsse ließ ihn aufstöhnen. Er hatte ihr hingegen sein Wort gegeben, und Victoria Tem- ple würde von nun an vor ihm sicher sein. Sie war seine Haus- hälterin - nicht mehr und nicht weniger.
6. KAPITEL
Zumindest in einer Hinsicht schien das Glück auf Torys Seite
zu sein, denn in den folgenden Tagen erschienen keine neuen
Meldungen über den Angriff auf Baron Harwood oder die ge-
stohlene Halskette. Wahrscheinlich wurde in der Londoner
Gesellschaft über den Zwischenfall wild spekuliert, doch Lord
Brant war viel zu beschäftigt, als dass er derlei Gerüchten Be-
achtung hätte schenken können.
Lord Brant - Tory versuchte ihr Bestes, nicht an ihn zu den-
ken. Am liebsten hätte sie ihn nie wiedergesehen, nie wieder in
seine goldbraunen Augen geblickt und sich seiner leiden-
schaftlichen Küsse erinnert oder daran, wie sie sich seinen Be-
rührungen hingegeben hatte. Nie wieder wollte sie so in Versu-
chung geraten wie in jener Nacht.
Doch so verzweifelt sie sich auch bemühte - es gelang ihr
kaum, ihr Verlangen danach, wieder in seinen Armen zu lie-
gen, zu unterdrücken ...
Glücklicherweise konnte sie diese unziemlichen Gedanken
vor Claire verbergen. Sie hatte ihrer Schwester erzählt, dass es
sich bei der Nachricht des Earls um ein Missverständnis ge-
handelt hätte. Er hatte aus Versehen „Mitternacht" geschrie-
ben, aber „Mittag" gemeint, und wollte von Claire nur wissen,
ob sie und Tory mit ihrer Arbeit zufrieden wären.
Niemand außer Claire wäre so naiv gewesen, Tory diese al-
berne Geschichte zu glauben. Tory fühlte sich schuldig, ihre
Schwester belügen zu müssen, war aber auch erleichtert, dass
Claire damit zufrieden zu sein schien und keine weiteren Fra-
gen stellte.
Seit jener Nacht sah Tory den Earl nur dann, wenn sie sich
zufällig im Haus begegneten. Bei diesen Gelegenheiten war er
stets derart höflich und zurückhaltend, dass sie es bereits pro-
vozierend fand. Das Schachbrett in seinem Arbeitszimmer stand nun wieder
unbeachtet in seiner Ecke, und wann immer Tory einen Blick darauf warf, musste sie den Impuls unterdrücken, eine neue Partie zu beginnen und den Earl in dieser Weise herauszufor- dern. Natürlich unterließ sie das, denn sie wusste nun, wohin dies führen würde.
An diesem Morgen war allerdings erneut eine Meldung im London Chronicle erschienen: Die Suche nach den Schuldigen in der Sache Baron Harwoods dauerte an. Auch dieses Mal ge- lang es Tory, diese Ausgabe unauffällig verschwinden zu las- sen.
Langsam begann sie sich allerdings zu fragen, wie lange es ihr und Claire noch möglich sein würde, sich unerkannt im Haushalt von Lord Brant zu verstecken. Zwar sparten sie bei- de ihren Lohn sorgsam auf, damit sie für eine plötzliche Flucht gewappnet waren. Doch je mehr Geld sie verdienen könnten, desto wahrscheinlicher war eine erfolgreiche Flucht.
Zudem hatte Tory die Hoffnung, dass der Baron seine Suche einfach aufgeben würde und nach Harwood Hall zurückkehr- te. Vielleicht glaubte er mittlerweile, dass sie sich irgendwo auf dem Lande versteckt hielten. Sie hoffte inständig, dass ein glücklicher Zufall ihr und Claire zu Hilfe kommen möge. Unterdessen hatte der Earl sie wissen lassen, dass er heute Abend eine kleine Gesellschaft gab. Auf der Gästeliste standen unter anderem seine Cousine Sarah mit ihrem Ehemann Lord Aimes, Colonel Pendleton vom Kriegsministerium und Lord Percival Chezwick. Zudem waren der Duke of Sheffield einge- laden sowie Dr. und Mrs. Geoffrey Chastain mit ihrer ältesten Tochter Grace.
Der letzte Name auf der Liste ließ Torys Herz für einen Mo- ment aussetzen, denn sie kannte Grace Chastain. Zusammen hatten sie Mrs. Thornhills Privatschule besucht, wo Gracie ih- re beste Freundin gewesen war.
Das schien ihr nun Ewigkeiten her zu sein.
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