Martin, Kat - Perlen Serie
würde Claire Bescheid sagen müssen, und dabei hatte sie noch keine Idee, wohin sie nun ge- hen könnten. Aber sie musste für sie beide eine Lösung finden. Bis dahin durfte sie sich nichts anmerken lassen. Sie würde weiterhin ihrer Arbeit nachgehen, bevor sie am Abend ihrer Schwester alles erzählte. Und dann würden sie sofort aufbre- chen müssen.
Verdammt! Cord schlug mit der flachen Hand auf seinen Schreibtisch. Er wusste nicht, was er lieber täte - Victoria da-
für zur Brust zu nehmen, dass sie ihn angelogen hatte, oder sie eher zu bewundern, da sie den Mut gezeigt hatte, sich ihm in seiner Wut zu widersetzen.
Nur wenige Männer wagten das, und Sarah war die Einzige, die sich ihm entgegenstellte, da sie wusste, dass er einer Frau letztlich nie etwas zu Leide täte. Victoria hatte Angst vor ihm gehabt, und genau das hatte er auch beabsichtigt. Dennoch war sie nicht vor ihm zurückgewichen und hatte stattdessen seinem Willen getrotzt.
Er wusste, dass sie schuldig war. Sie war eine unglaublich schlechte Lügnerin, der man die Wahrheit vom Gesicht able- sen konnte. Was er jedoch nicht verstand, war, warum sie die Tat begangen hatte. Denn er hielt sie nicht für jemanden, der ein solches Verbrechen ohne triftigen Grund beging. Eigent- lich müsste er sie unverzüglich anzeigen, aber der Gedanke daran bereitete ihm Unbehagen. Bevor er die Wahrheit nicht kannte, würde er keine Schritte gegen Victoria unternehmen. Und die Wahrheit würde er herausfinden, schwor er sich grimmig und setzte sich an seinen Schreibtisch. Er wusste schon ganz genau, welchen Detektiv aus der Bow Street er da- zu anheuern wollte. Entschlossen griff er nach einem silbernen Federhalter und tauchte die Spitze in das Tintenfass, danach schrieb er eine kurze Nachricht an Jonas McPhee und wies ihn an, alles über Harwood, den Diebstahl der Halskette und die beiden Dienstmädchen des Barons herauszufinden.
Mit McPhee hatte er bereits früher sehr gute Erfahrungen gemacht. Zufrieden mit seiner Entscheidung, versiegelte er den Brief und läutete nach einem Hausdiener, dem er auftrug, die Nachricht sofort zu überbringen. Wenn erst einmal die wahren Umstände ans Tageslicht kamen - und vorausgesetzt, dass er sich nicht grundlegend in Victoria getäuscht hatte -, würde er Mittel und Wege finden, ihr zu helfen.
Zwischenzeitlich sollte Timmons ein Auge auf die beiden Frauen werfen, damit sie nicht versuchten, sich davonzusteh- len, während er in Frankreich war.
Cord seufzte, als seine Gedanken wieder um die nun anste- hende Reise zu kreisen begannen. Gestern war Colonel Pend- leton kurz vorbeigekommen und hatte ihm die lang ersehnte Nachricht gebracht, dass Ethans Flucht aus dem Gefängnis unmittelbar bevorstand. Die Nightingale würde noch heute Nacht nach Frankreich aufbrechen, und wenn alles nach Plan lief, würde sein Cousin morgen Abend frei und sicher an Bord
des Schiffes sein.
Sofort nach dem Abendessen kehrte Cord in sein Arbeitzim- mer zurück. Er stand am Fenster und sah in die finstere Nacht hinaus. Kein Mondschein durchbrach die Dunkelheit, und dichter Nebel begann, sich auf die Stadt zu senken. Als es laut an die Tür klopfte, wandte er sich um. Einen Moment später betrat Rafael Saunders, der Duke of Sheffield, das Zimmer. Er war ein kraftvoller Mann, genauso groß wie Cord und mit dunklem Haar.
„Ich vermute, dass alles vorbereitet ist." Rafe ging zielstre- big auf den Tisch mit den Getränken zu und goss sich einen Brandy ein.
„Hier ist alles bereit", antwortete Cord. Sein Freund hatte darauf bestanden, bei der Unternehmung dabei zu sein, da so- wohl Ethan als auch Cord zu seinen engsten Vertrauten gehör- ten. Cord wusste um Rafes praktische Veranlagung und seinen kühlen Kopf in kritischen Situationen, und er war froh, einen solchen Mann an seiner Seite zu wissen.
„Wir werden in einer Bucht nahe Cap Gris Nez, etwas süd- lich von Calais, vor Anker gehen", erklärte Cord. „Ein kleines Boot wird Ethan gegen Mitternacht zu unserem Schoner, der Nightingale, bringen. Wir müssen ihn dann lediglich wieder si- cher nach Hause bringen."
Nachdenklich sah der Herzog in sein Glas. „Das klingt fast zu einfach."
Cord gestand sich ein, dass ihm dieser Gedanke auch schon gekommen war. „Ja, ich weiß."
„Nun, wir wollen auf unser Glück hoffen - oder vielmehr auf Ethans Glück."
Cord nickte. „Es ist noch früh, und ich muss noch ein paar Dinge erledigen. Die Nightingale liegt in Southwark nahe der Brücke vor Anker.
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