Martin, Kat - Perlen Serie
Ich erwarte dich dort um Mitternacht." Rafe kippte den Rest seines Brandys hinunter und stellte das leere Glas zurück. „Gut. Ich sehe dich dann an Bord."
Cord sah ihm nach, als er das Zimmer verließ, und war in Gedanken schon wieder bei seinem Cousin - und bei seinen beiden Hausangestellten. Er hoffte, dass sich im Laufe der kommenden Tage beide Probleme lösen würden.
Eilig zog Tory sich in einen dunklen Winkel der Eingangshalle zurück und sah dem großen, elegant gekleideten Duke of Shef- field nach, dessen Schritte auf dem schwarzweißen Marmor-
boden verhallten. Sie hätte nicht lauschen sollen, und sie tat es auch nur, weil ihre Situation so verzweifelt war. Doch solange ihr und Claire die Flucht aus London noch nicht gelungen war, musste sie einfach wissen, was der Earl vorhatte!
Erleichtert stellte sie fest, dass seine Unterredung mit dem Duke nichts mit ihnen beiden zu tun hatte, sondern Lord Brants Plan, seinen Cousin zu retten, betraf.
Und dieser Plan sah vor, dass er noch in dieser Nacht nach Frankreich segeln würde ...
Sie ließ sich diese Neuigkeit durch den Kopf gehen, während sie die Treppen bis zum Obergeschoss hinaufstieg und zu Clai- res Zimmer ging. Es war höchste Zeit, dass sie beide nicht nur aus dem Haus verschwanden, sondern auch zwischen sich und London so viel Distanz wie nur möglich brachten. Grace wür- de verärgert sein, dass Tory sie nicht von ihrer Abreise in Kenntnis gesetzt hatte, aber sie wollte ihre Freundin nicht mehr als unbedingt nötig in die Angelegenheit verwickeln. Tory klopfte an die Tür ihrer Schwester. Claire trug bereits ihr Nachthemd, und ihr helles Haar war in einen dicken Zopf geflochten. Tory betrat das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.
„Was ist los?" fragte Claire. „Du siehst ganz verstört aus." Tory seufzte. „Ich fürchte, ich bringe schlechte Nachrich- ten."
„Schlechte Nachrichten? Was für ...?" Claire erblasste auf einmal. „Du willst damit nicht etwa sagen, dass sie herausge- funden haben, wer wir sind?"
„Doch, in gewisser Weise haben sie das. Zumindest der Earl hat Verdacht geschöpft. Wie müssen von hier verschwinden, bevor er die Wahrheit herausfindet."
Claires schöne blaue Augen füllten sich mit Tränen. „Aber wohin sollen wir gehen? Oh Tory, was sollen wir nur tun? Mir gefällt es hier. Ich will nicht gehen."
„Ich weiß, meine Liebe, aber uns bleibt kein anderer Aus- weg. Wenn wir hier bleiben, werden sie uns verhaften. Und ich glaube, ich weiß, wo wir sicher wären."
Claire seufzte. „Wo?"
„In Frankreich."
„Frankreich? Ich dachte, wir befänden uns mit den Franzo- sen im Krieg?"
„England und Frankreich bekriegen sich. Du und ich führen mit überhaupt niemandem Krieg. Der Earl bricht noch in die-
ser Nacht mit einem Schiff auf."
Tory begann, ihren Plan zu erläutern. Heimlich würden sie an Bord gehen, sich im Rumpf des Schoners verstecken, und sobald das Schiff in der Bucht vor Anker ging, könnten sie über Bord gehen und an Land schwimmen.
„Ich kann doch gar nicht schwimmen!" wandte ihre Schwester ein.
„Nein, aber ich!" erwiderte Tory geduldig. Während ihrer Schulzeit hatten sie und Grace sich manchmal an den Nach- mittagen zum Fluss geschlichen. Einer der Jungen aus dem Dorf hatte ihnen das Schwimmen beigebracht. Claire hatte es ebenfalls lernen wollen; sobald Tory hingegen versuchte, es ihr beizubringen, verließ sie immer der Mut. „Es wird nicht weit sein bis an Land, und ich helfe dir, dorthin zu kommen."
„Ich weiß nicht, Tory ..."
„Es wird schon gehen, Claire. Wir sprechen beide ausge- zeichnet Französisch. Niemand wird uns als Engländerinnen verdächtigen. Dann gehen wir nach Paris, und vielleicht ge- lingt es mir dort endlich, eine Stelle als Gouvernante zu fin- den."
Claire fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lip- pen. „Glaubst du wirklich, dass der Plan funktioniert?"
„Ich bin mir ganz sicher. Jetzt zieh dich an, und pack deine Tasche. Ich erwarte dich unten in meinem Zimmer."
Als sie Claires Zimmer verließ, musste Tory wieder an Lord Brant denken, und sie fragte sich, ob er wohl jemanden damit beauftragt hatte, sie beide während seiner Abwesenheit zu be- obachten. Sie war sich dessen fast sicher, denn schließlich war er sehr umsichtig. Wahrscheinlich würde er Timmons mit der Aufgabe betrauen. Claire und sie würden also Acht geben müssen, dass der Butler nicht sah, wie sie das Haus verließen.
Das Geräusch der Räder hallte durch
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