Martin, Kat - Perlen Serie
geküm- mert, dass Ihr Gepäck schon dort ist."
„Hoffentlich ist auch meine Kammerzofe wohlbehalten an- gekommen."
In diesem Moment sah sie Freddie auf sich zukommen. Er stützte sich auf seine Krücke und trug Schooner unter dem an- deren Arm. „Wir wollen Ihnen Auf Wiedersehen sagen, Miss ... ich und Schooner."
Grace beugte sich zu dem getigerten Kater hinunter und streichelte ihn. Sie musste lächeln, als er laut und wohlig zu schnurren begann. „Ihr werdet mir beide fehlen, Freddie." Der Junge schien sich darüber zu freuen. „Vielleicht laufen wir uns ja mal wieder über den Weg."
Wohl kaum, dachte sie, wenngleich sie es sich von ganzem Herzen wünschte, denn sie hatte die beiden lieb gewonnen. „Ja, vielleicht."
„Und jetzt aber los, mein Junge." Angus deutete mit dem Kopf in Richtung Kombüse. „Der Koch kann ein weiteres Paar Hände gut gebrauchen."
Ein letztes Mal winkte Freddie und humpelte dann davon. Angus machte sich ebenfalls wieder an die Arbeit und rief der Mannschaft Befehle zu. In der Ferne konnte Grace bereits die ersten Häuser von Scarborough ausmachen sowie die Ruine einer mittelalterlichen Burg, die auf einer Anhöhe zwischen zwei weiten Sandstränden stand.
Unwillkürlich musste Grace an die jahrhundertealte Perlen- kette denken, die Ethan immer noch hatte. Würde er sie zurück- geben? Sie hatte ihn seit Tagen nicht zu Gesicht bekommen, und es war offensichtlich, dass er ihr aus dem Weg ging. Und vielleicht war das ja gut so.
Als ob ihre Gedanken ihn erreicht hätten, sah sie ihn nun mit langen Schritten und wehendem Mantel auf sich zukommen. Er hinkte stärker als gewöhnlich, aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.
Ethan blieb dicht vor ihr stehen, sein Gesicht war unbewegt, und nur seine Augen verrieten ihr seinen inneren Aufruhr. Was er wohl denken mochte?
Ihre eigenen Gedanken und Gefühle waren ein einziges Durcheinander. Sie war wütend auf Ethan wegen seiner Kalt- herzigkeit - und sie war wütend auf sich selbst, weil sie so dumm gewesen war.
Sie bedauerte alles, was geschehen war, zutiefst. Gleichzeitig war sie verunsichert, und tief in ihrem Herzen vermisste sie ihn
jetzt schon.
Sie hätte es wissen müssen. Warum nur hatte sie geglaubt, sie könnte aufhören, ihn zu lieben, sobald sie ihn verlassen würde?
Um sie herum kletterten Matrosen geschickt die Takelage hinauf und hinunter und begannen die Segel einzuholen, wäh- rend sie in den Hafen einliefen. Doch Grace' ganze Aufmerk- samkeit war auf den Mann gerichtet, der groß und ehrfurchtge- bietend vor ihr stand - und den sie nie vergessen würde. Seine hellen blauen Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Es waren wun- derschöne Augen, dachte sie. Augen, aus denen viel leidvolle Erfahrung sprach.
„Wenn wir angelegt haben, wird Angus Sie an Land brin- gen", sagte Ethan. „Er wird sich darum kümmern, dass Sie sicher zum Haus Ihrer Tante gelangen."
Sie nickte. „Meines Wissens ist es nicht weit bis Humphrey Hall."
Er holte etwas aus seiner Manteltasche, und Grace erkannte sofort das Funkeln der Diamanten. Er legte ihr die Perlenkette um den Hals, und die leichte Berührung seiner Finger schnürte ihr das Herz zusammen.
„Danke."
Er richtete sich auf und straffte die Schultern. „Passen Sie auf sich auf, Grace."
„Sie auch, Captain Sharpe."
Er blieb vor ihr stehen und sah sie an. Sie würde nie wissen, was sie auf einmal dazu brachte, sich auf die Zehenspitzen zu stellen und mit einem leichten Kuss seine Lippen zu berühren. Kurz sah sie etwas in Ethans Augen aufblitzen, dann fasste er sie an den Schultern und küsste sie lange und hungrig, bevor er sich abrupt abwandte und davonging. Grace sah ihm nach, und ihr traten heiße Tränen in die Augen.
Das war einfach nur lächerlich! Dieser Mann war ein Schur- ke, und sie bedeutete ihm nichts. Und deshalb war es unsinnig, Bedauern darüber zu verspüren, dass sie ihn nie wieder sehen würde.
Die Stimme von Angus McShane riss sie aus ihren Gedan- ken. „Wird Zeit, dass wir gehen, Mädchen."
Grace versuchte zu lächeln, doch es wollte ihr nicht gelin- gen. „Ja ... ich kann es kaum erwarten, von Bord zu kommen." Sie schluckte die Tränen herunter und ließ sich von dem korpu-
lenten, graubärtigen Schotten zur Gangway führen. Sie schaute nicht zurück, als sie das Schiff verließ.
Als der Butler Besucher ankündigte, ließ Baroness Humphrey ihr Augenglas, das sie an einer silbernen Kette um den Hals trug, auf ihren stattlichen Busen fallen
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