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Marx, my Love

Marx, my Love

Titel: Marx, my Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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getan, gar nichts.«
    Zu viele Unschuldsbeteuerungen: Anna hat das Gefühl, dass das Mädchen lügt, ihr zumindest etwas Wesentliches verschweigt. Aber sie kann sie nicht gut auf die Herdplatte in der Teeküche setzen, um der Wahrheit näher zu kommen. Obwohl es nett wäre. Nein, sie kann ja nicht einmal eine Fliege ermorden. Rosi Stark hatte damit keine Probleme. Sie war der Typ, der zuerst zuschlägt. Bis auf ein Mal natürlich…
    »Ich kann dir nur helfen, wenn du mir die Wahrheit sagst, Marilyn. Gab es Streit am Tisch? War es einer aus eurer Gruppe, der Frau Stark zur Toilette gefolgt ist?«
    Das Mädchen, das sich Joy nennt und neben Fjodor und Sibylle ein wenig abseits steht, wirft ihrer Freundin einen flehenden Blick zu. Oder bildet sich Anna das nur ein?
    Marilyn scheint nachzudenken. Sie schürzt dabei die Lippen und runzelt die faltenlose Stirn. »Nein, keinen Streit. Sie haben fast nur über Geld geredet. Und über die Arbeit. Frau Stark sagte, dass sie wieder einen Oscar-verdächtigen Film drehen wollte, und als Jacob sich räusperte, da wurde sie böse. Auch als Benno meinte, dass er das Drehbuch Scheiße fände. Da hat sie ihn angesehen, als ob sie ihn umbringen wollte. Aber dann hat sie gelacht und gesagt: Aber du spielst trotzdem mit, mein Kleiner… Ich glaube, alle hatten ein bisschen Angst vor ihr, auch ihr Mann. Beim letzten Mal, als sie aufs Klo ging, sagte Jacob, dass sie ein Kotzbrocken sei. Ist das Wort so richtig? Aber er war schon ziemlich hinüber…«
    »Kokain?«
    Marilyn sieht Anna an, als ob sie nicht einmal das Wort kenne, geschweige denn seine Bedeutung. »Ist ja auch egal«, setzt Anna nach. »Aber saß er nun zur betreffenden Zeit am Tisch oder nicht?«
    Wieder denkt das blonde Wesen, und es sieht beeindruckend aus. »Ich bin nicht sicher«, sagt sie schließlich. »Es waren alle mal draußen, schließlich wurde ja auch eine Menge getrunken. Es ist mir egal, wer es war. Er wird schon einen Grund gehabt haben, und sie ist nun mal tot. Jetzt geht es um Joy und mich! Kann man einen Deal mit der Polizei machen? Wir sagen ihnen, was sie hören wollen, und dafür lassen sie uns hier in Ruhe arbeiten.«
    Hat Fjodor sie etwa als Anwältin verkauft? Er neigt zu Übertreibungen, nicht nur beim Singen. »Geht nicht«, sagt Anna. Ihr Glaube an den Rechtsstaat ist durchlöchert, doch in der Substanz immer noch vorhanden. »Wenn sie euch einmal haben, mahlen die Mühlen der Justiz. Sie werden euch erst laufen lassen, wenn die Sache vorbei ist. Warum machst du mit Joy nicht einen längeren Urlaub? So lange, bis sie den Täter fassen und den Fall abschließen. Dann kommt ihr wieder. Das ist sicher auch in Onkel Wanjas Sinn.«
    Marilyn greift sich eine weitere Zigarette aus Annas Packung. Sie verdient viel mehr als ich, denkt Anna, und das Wenige, das sie anhat, hat bestimmt viel gekostet. Doch sie ist eine Nehmerin. Weil sie schön ist und dem nichts hinzufügen muss, um andere zu beeindrucken.
    »Vielleicht hast du Recht. Joy ist sowieso verrückt vor Angst. Sie glaubt sogar daran, dass sie eines Tages von einem Freier umgebracht wird. Hat jedes Mal Todesfurcht, wenn sie allein wohin gehen muss. Manchmal schluckt sie sogar Beruhigungspillen vor einem Date. Ich sage ihr immer: Behandle sie schlecht. Männer mögen das, und dann wagen sie es nicht, dir was zu tun.«
    Eine gewagte Theorie für Annas Empfinden, doch sie hat kein Verlangen, mit Marilyn über Männer zu diskutieren. Es stimmt, Joy sieht aus wie ein wunderschöner, ängstlicher, blonder Hase. Sie kommt jetzt mit den beiden auf sie zu. Sibylle sieht aus, als wäre sie lieber auf einer anderen Party.
    »Kann ich denn auch mit Joy sprechen?«, fragt Anna, und Marilyn antwortet: »Nein, das geht nicht. Joy mag nicht über diesen Tag reden, mit niemandem. Außerdem hat sie nichts gesehen oder gehört. Sie himmelte den Schauspieler an, sehr unprofessionell, das hab ich ihr auf der Toilette gesagt. Weißt du, was komisch ist? Ich habe mir überlegt, ob ich diese Klobürste klauen soll. Sie sah so hübsch und teuer aus. Aber dann hab ich die Seifenschale mitgenommen. Passte besser in die Handtasche.«
    Das Schicksal hat sich einen bösen Scherz erlaubt, denkt Anna, und dass Rosi Starks Leben vielleicht davon abhing, dass eine Klobürste nicht in eine Handtasche passt. Sie stellt ihre letzte Frage, denn Marilyn sieht schon zum dritten Mal ungeduldig auf ihre Uhr: »War irgendjemand Fremdes im Lokal, der nicht zum Personal oder zur

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