Mary Poppins
eine kleine, runde Schachtel mit einem Glasdeckel. Auf dem Glas war ein Pfeil eingeritzt. Im Innern war eine runde Scheibe, auf der, wie es schien, Buchstaben standen. Die Scheibe schwankte sacht, als er die Schachtel bewegte.
Jane kam angelaufen und blickte ihm über die Schulter.
»Was ist es denn, Michael?« fragte sie.
»Das sag ich dir nicht«, entgegnete Michael und wußte selbst nicht, was es war.
»Mary Poppins, was ist das?« bettelte Jane, als der Kinderwagen sie eingeholt hatte. Mary Poppins nahm Michael die kleine Schachtel aus der Hand.
»Die gehört mir«, sagte er trotzig.
»Nein, mir«, gab Mary Poppins zurück. »Ich hab sie zuerst gesehen.«
»Aber ich hab sie aufgehoben!« Er versuchte, ihr die Schachtel zu entreißen, aber sie warf ihm einen Blick zu, daß seine Hand herabsank.
Mary Poppins wendete das Ding hin und her, und im Sonnenlicht tanzten Scheibe und Buchstaben wie toll in dem Gehäuse.
»Wozu ist das?« fragte Jane.
»Um damit um die Welt zu reisen«, antwortete Mary Poppins.
»Pah!« rief Michael. »Um die Welt reist man in einem Schiff oder in einem Flugzeug. Das weiß ich. Das Schachtelding könnte dich nie um die Welt tragen.«
»O wirklich – könnte es das nicht?« sagte Mary Poppins mit einem sonderbaren Ich-weiß-es-besser-als-du-Ausdruck. »Gib gut acht!«
Sie hielt den Kompaß in der Hand, wandte sich zum Eingang des Parks und sagte: »Nord!«
Die Buchstaben rasten um den Pfeil, in einem schwindelerregenden Tanz. Plötzlich wurde es schneidend kalt in der Luft, und der Wind wehte so eisig, daß Jane und Michael die Augen zukniffen. Als sie sie wieder aufschlugen, war der Park verschwunden – nichts war mehr zu sehen, weder ein Baum noch eine Bank noch ein asphaltierter Fußweg, alles fort. Statt dessen waren sie von riesigen, blauen Eisblöcken umgeben, und unter ihren Füßen lag dick gefrorener Schnee.
»Oh, oh!« rief Jane und zitterte vor Kälte und Überraschung. Sie lief zu den Zwillingen und wickelte sie in die Kinderwagendecke ein. »Was ist denn mit uns geschehen?«
Mary Poppins schaute vielsagend auf Michael. Es blieb ihr keine Zeit zu einer Antwort, denn im selben Augenblick kam aus einem Loch in einem der Eisblöcke ein Eskimo gekrochen, das runde, braune Gesicht von einer weißen Fellmütze umrahmt, und mit einem langen, weißen Pelz über den Schultern.
»Willkommen am Nordpol, Mary Poppins, und auch ihr anderen alle!« sagte der Eskimo, übers ganze Gesicht lächelnd. Dann trat er näher und rieb zur Begrüßung seine Nase der Reihe nach an ihren Nasen. Jetzt kam auch eine Eskimodame aus dem Loch gekrochen. Sie trug ein Eskimobaby, das in ein Seehundsfell eingewickelt war.
»Aber, Mary, ist das eine Freude!« rief sie, und das Nasenreiben begann von neuem. »Ihr werdet schön frieren!« Überrascht blickte sie auf die dünnen Kleider. »Warte, ich hole schnell Mäntel für euch. Wir haben ein paar Eisbärenfelle hängen. Und ihr wollt sicher gern etwas Warmes essen, einen Teller Transuppe, nicht wahr, meine Lieben?«
»Ich fürchte, wir können uns nicht länger aufhalten«, unterbrach sie Mary Poppins schnell. »Wir reisen um die Welt und schauten nur für einen Augenblick herein – aber trotzdem, vielen Dank. Vielleicht ein andermal!«
Und mit einer leichten Handbewegung drehte sie den Kompaß und sagte: »Süd!«
Jane und Michael kam es vor, als wirbelte die ganze Welt im Kreis herum wie der Kompaß, sie aber stünden unbeweglich im Mittelpunkt. So wird einem zumute, wenn ein Karussellbesitzer sich den Spaß macht und einen in den Motorraum seines Karussells mitnimmt, während sich draußen alles dreht.
Während die Welt um sie herumwirbelte, spürten sie, wie ihnen wärmer und wärmer wurde, und als sich das Tempo verlangsamte und wieder Ruhe eintrat, da standen sie vor einem Palmenwäldchen. Die Sonne schien heiß, und ringsumher breitete sich goldener und silberner Sand aus, der unter ihren Füßen wie Feuer brannte.
Unter den Palmen saßen ein Mann und eine Frau, beide schwarz von Kopf bis Fuß und nur wenig bekleidet. Aber zum Ausgleich trugen sie viele, viele Glasperlen – einige baumelten ihnen von einer großen Federkrone herab um den Kopf, andere hingen an ihren Ohren, ein oder zwei sogar an ihrer Nase. Glasperlenschnüre schlangen sich um ihren Hals und lagen, zu Gürteln geflochten, um ihre Hüften. Auf dem Schoß der Negerdame saß ein Baby, das hatte überhaupt nichts am Leibe. Es lachte die Kinder an, als seine Mutter zu
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