Marzipaneier (Junge Liebe)
große Bedeutung bei.“
„Hör mal! Ich kann mir kaum vorstellen, dass er dabei nichts empfunden hat. Ich meine, so, wie du den Kuss beschrieben hast, ist da auch mehr bei ihm vorhanden. Er hat den Kuss schließlich erwidert. Sein Problem ist die Feigheit vor der Selbsterkenntnis. Gib ihm Zeit! Auch in seinem Alter hat man noch nicht genügend Erfahrung in Sachen Liebe; falls ein Mensch diese Erfahrung überhaupt jemals bis zur Vollständigkeit erlangen kann. Und hör auf mit der Schwarzmalerei! Das hilft dir jetzt am allerwenigsten. Sonst denkst du doch auch immer positiv.“
„Kann ich nicht. Das stehe ich nicht durch. Ich war noch nie so verliebt. Vielleicht ist meine Angst vor einer Enttäuschung deshalb so groß. Alles, was ich will, ist von ihm in Ruhe gelassen zu werden, ohne spitze Bemerkungen.“
„Das glaubst du ja selbst nicht!? Dennis, eben hast du noch behauptet, ihn zu lieben. Dann kannst du in der nächsten Minute nicht von vergessen sprechen. Du willst ihn nur verdrängen, weil du selbst nicht damit klar kommst. Deshalb kannst du es von ihm auch nicht verlangen! Rede dir bitte nicht ein, ihn aus deinem Leben zu streichen. Sei nicht albern! Genau das ist das, was dich krank machen wird. Lebe die Liebe und unterdrücke sie nicht! Sag es mir ins Gesicht. ‚Ich bin schwul, Cora!’ Na los!“
„Ich bin nicht schwul!“, erwidere ich energisch. „Okay, vielleicht ein bisschen. Hin oder her, wie soll ich eine Liebe leben, die keinen Anklang findet und von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist?“
„Klar, dass du deprimiert bist. Diese Liaison ist fernsehreif und wirklich ungewöhnlich. Ich bin mir aber fast sicher, dass bei ihm was ist. Für dich. Eines Tages wird selbst Ben die Liebe nicht mehr ignorieren und unterdrücken können. Gib es nicht auf. Noch nicht. Ich muss wieder runter. Sonst macht sich noch wer an meinem armen Felipe zu schaffen. Ich muss ihn erst mal aus ihren Klauen da unten befreien. Das wird schon, Kleiner! … Und du bist doch schwul …“
Augenzwinkernd wirft Cora mir mit einem Lächeln auf den Lippen von der Tür aus ein Päckchen Wattepads zu. In vollem Flug fange ich sie gerade noch, bevor mich die Packung mitten ins Gesicht trifft.
„Fang! Keine Sorge, es hat keiner gemerkt. Aber wenn du das nächste Mal meinen Lidschatten benutzt, dann schließe die Tube bitte wieder sorgfältig!“
Es tut gut, mit jemandem reden zu können.
Fromme Stille dominiert mein Zimmer. Von unten höre ich die Familie reden, in Erinnerungen schwelgen und lachen. Meine eigenen Gedanken werde ich trotzdem nicht los. Egal, was ich versuche. Liebeskummer kannte ich bislang nur aus Hollywoodstreifen. Nun hat es mich auch erwischt. Und wie! Das ist ja nicht auszuhalten. Nur einmal möchte ich ihm sagen, wie sehr ich ihn liebe und brauche. Was ist nur los mit ihm? Schwul … vielleicht doch?
Die nächsten Tage verbringe ich weiter mit Grübeln. Schwierig, fast unmöglich für mich, Position zu beziehen. Ich will glauben, dass sein Kuss kein Ausrutscher war. Allmählich bessert sich meine Laune, nicht zuletzt wegen unseres Skiurlaubs.
Silvester feiern wir auf einer Almhütte, die wir immer mieten, weil der Blick ins Tal schöner ist und man das Feuerwerk – vorausgesetzt es besteht keine Lawinengefahr - besser genießen kann.
Wir sitzen in großer Runde beisammen. Obwohl jeder angeheitert ist, kommt heute keine Stimmung auf. Zumindest nicht bei mir. Meine Gedanken kreisen schon wieder um Ben. Ich kann ihn nicht vergessen. Er ist ständig in meiner Nähe. Folter kann kaum schlimmer sein. Die gesunde Bergluft hat meine Sinne nicht kuriert. Ausgerechnet heute schiebe ich wieder eine Depriphase nach der anderen.
Er sitzt da, trinkt, lächelt gekünstelt und scheint nur körperlich anwesend zu sein. Seine Gedanken sind woanders. Mir ist das egal. Geschieht ihm recht. Ich werde ihm nicht helfen. Soll er doch allein damit zu Recht kommen. Ich bin zwar immer noch total fixiert auf ihn, aber er hilft mir ja auch nicht. Unglaubwürdig starre ich auf meine Uhr, die stehen zu bleiben scheint. Es ist unerträglich. Ich muss an die frische Luft.
Niemand hat meine Flucht nach draußen bemerkt. Gut so. Ursprünglich hatte ich vor, spazieren zu gehen, doch bereits nach den ersten Metern verschlägt es mich auf eine morsche Holzbank. Es ist kalt, aber im Gegensatz zum Hausinnern leise. Göttlich! Zurzeit bin ich süchtig nach Ruhe. Es tut mir gut, einfach nur da zu sitzen und die Sternbilder zu
Weitere Kostenlose Bücher