Maschinenkinder
Innentasche seines Jacketts gleiten. »War nett, mit Ihnen zu plaudern, aber jetzt ist Showtime.«
»Showtime, Sie sagen es«, nickte Kosloff, um ihn daraufhin kalt stehen zu lassen. Der Quizmaster verfolgte, wie er den Gang zur Sendezentrale runterhastete und plötzlich doch noch über die Schulter zurückschaute: »Bringen Sie mir ja dieses Elysian-Zeugs unter, verdammt!«
»Vor dem Finale ist kaum –« Schäfer brach ab; die Menge an Hilfskräften hatte Kosloff verschluckt.
Und nun, verehrte Zuschauer, ist es Zeit für »Marionetten«! Heute im Jackpot: elf Millionen Neumark für den glücklichen Gewinner! Und das sind unsere Spieler: Maria Salveri aus Neo Marino, Werksarbeiterin und Mutter von fünf Kindern, und Luther Hoogin, der beliebte Serienstar und Schöpfer der Sitcom »Mein Herz gehört dir«. Bitte begrüßen Sie unseren Gastgeber: Cyrill Schäfer!
Freudestrahlend kam Schäfer auf die Bühne gestürmt, wo ihn der Hauptscheinwerfer erfasste und sein Jackett blutrot färbte. Aus den Boxen krachten Gitarrenriffs, schrill und übersteuert, mit atonalen Orgelklängen gemischt.
Das Studio war dunkel und verdreckt – genauso, wie es bei der ersten Show gewesen war, eine muffige Lagerhalle unterhalb der Erdoberfläche, früher ein Versteck für Drogen und Raubgüter, daher ausgesprochen billig. Obwohl genügend finanzielle Mittel zur Verfügung standen, hatte Kosloff eine Renovierung strikt abgelehnt: Die Sendung sollte authentisch bleiben; außerdem erhöhte die Gefahr einer Infektion den »Thrill«, wie er sich auszudrücken pflegte.
Gerade tat Schäfer das, was alle zweitrangigen Quizmaster zur Begrüßung abzogen: Er ließ sich feiern, verteilte Luftküsse, verbeugte sich öfter als nötig. Nachdem das frenetische Klatschen des Holo-Publikums verebbt war, kam er zur Mitte der Bühne und rückte sein Mikro zurecht. Dann lächelte er sein Lächeln:
»Meine Damen und Herren, es ist mir eine Ehre, Sie auch heute Abend durch Marionetten führen zu dürfen!« Applaus heischend ließ er seinen Blick durch die virtuelle Menge schweifen … »Danke, danke, Sie machen mich verlegen, das reicht, das reicht«, lachte er und machte eine Kunstpause. »Wir befinden uns in der ersten Hälfte des Halbfinales, Salveri gegen Hoogin; zur gleichen Sendezeit findet morgen die zweite Hälfte statt, da heißt es: nichts verpassen!«
Mit ausladender Geste wandte er sich den verschlossenen Garagen zu, auf denen wie Graffiti die Zahlen 1 und 2 aufgesprüht waren. Über jedem Tor prangte eine Leuchttafel: Sie zeigte Da Vincis berühmte Proportionsfigur. »Hier sind unsere Kandidaten, Maria Salveri, die sich letzte Woche in einem harten Kopf-an-Kopf-Rennen gegen den Bauarbeiter Frederick Odan durchgesetzt hat, und Luther Hoogin, der jedem wohl ein Begriff sein dürfte. Vorgestern hat er die Sängerin Eva Praterova aus dem Spiel geworfen – und das ohne jegliche Verluste!«
Schäfer lächelte in die Kamera. »Ich gebe das Zeichen: Garagen auf.«
Unter neuem Jubel hoben sich die Tore und gaben Einblick in zwei Operationssäle; weiße Kacheln, medizinische Apparaturen, eine grüne Liege und darüber eine Metallkrake, an deren Armen zwei Saugrohre sowie diverse Schneide- und Bohrwerkzeuge hingen.
Im linken Tor – Tor 1 – saß eine korpulente Frau, die mit einer durchsichtigen OP-Schürze und einer Haube bekleidet war. Ihr fehlten ein Fuß und drei Finger der rechten Hand, was nun auch an der Proportionsfigur zu sehen war; blinkende Lichter markierten die entsprechenden Körperstellen.
Maria hatte ein seliges Lächeln im Gesicht.
Auf der Liege des rechten Tors hockte Luther Hoogin, seit über zehn Jahren auf dem Abstellgleis des Showbusiness und hochgradig von Blast abhängig, einer aggressiven Droge, die seine Nervenfasern verödet hatte. Daher konnte er auch keine Sekunde still sitzen, trotz der Endorphine und Beruhigungsmittel, die beiden Kandidaten vor der Sendung gespritzt worden waren.
Ihm fehlte ein ganzes Bein.
»Willkommen im Viertelfinale«, rief Schäfer überschwänglich, »das wird ein spannender Kampf.« Die Invaliden störten ihn wenig, da war er doch zu sehr Profi … steckte einfach zu tief drin, um sich Mitgefühl leisten zu können. »Wie geht es Ihnen heute? Sind die Narben gut verheilt?« Bei diesen Worten musste Schäfer an seine eigene Gesichtsoperation denken, schob den Gedanken aber schnell beiseite, während er zu Maria stolzierte und ihr eine Hand aufs Knie legte. »Fühlen wir uns denn
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