Maskenball
Weile, bis im Flur das Licht anging und die Tür geöffnet wurde.
»Guten Abend, Frau Köhler. Dürfen wir einen Moment hereinkommen?«
»Das ist mir aber jetzt gar nicht recht. Ich bringe gerade Leon ins Bett.
Und dazu brauche ich Ruhe. Leon quengelt sowieso schon den ganzen Tag. Er ist völlig überdreht. Ich weiß auch nicht warum. Kommen Sie doch einfach morgen wieder. Das würde mir sehr helfen.« Astrid Köhler sah erschöpft aus. Ihr blondes Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht.
»Oh, das tut mir leid.« Ecki nahm seine Hände aus der Jackentasche und zog dann sein Notizbuch aus der Innenseite der Jacke. »Nur, ich fürchte, dass wir Ihnen unseren Besuch heute Abend nicht ersparen können. Unsere Ermittlungen sind sehr dringend. Wenn alles gut geht, wird es nicht lange dauern.«
Fast apathisch strich Astrid Köhler ihr Haar zurück und ließ die Männer an sich vorbei eintreten. Aus dem hinteren Teil des Hauses drang Rufen und Weinen in den Flur. »Da, hören Sie, was Sie angerichtet haben. Nun gehen Sie schon durch, jetzt ist es sowieso egal. Leon wird sich nicht beruhigen.« Vorwurfsvoll wies sie mit einer Hand hinter sich.
»Es tut uns wirklich sehr leid, aber es geht nun mal nicht anders.«
Frank setzte sich in die Küche, ohne seine Jeansjacke auszuziehen.
»Sie müssen sich schon gedulden, ich muss mich erst um meinen Sohn kümmern.« Sichtbar ungehalten ließ Astrid Köhler die beiden Ermittler alleine in der Küche zurück.
Frank sah sich um. Die Küche wirkte auf den ersten Blick noch unaufgeräumter als bei ihrem ersten Besuch. Astrid Köhler schien schon länger nicht mehr gespült zu haben. Im Becken stapelten sich Tassen, Kinderbecher und schmutzige Teller. Auf der Anrichte lag ein halb aufgeschnittenes Graubrot zwischen Marmeladengläsern und Milchtüten. Auf dem Herd standen zwei Töpfe. Der Küchenfußboden war übersät mit Krümeln und Kinderspielzeug. Auf dem alten Küchentisch stapelten sich Tageszeitungen.
»Sieht ja nicht besonders sauber aus«, wunderte sich auch Ecki. »Ist mir bei unserer ersten Begegnung gar nicht aufgefallen. Die Dame scheint mit ihrer Mutterrolle wohl etwas überfordert zu sein.«
»Das kann auch daran liegen, das der Kleine krank ist und sie nicht weiß, was mit ihrem Mann ist. So ein Kind kann einen schon den ganzen Tag beschäftigen. Die Frau hat bestimmt seelischen Stress.«
»Du musst es ja wissen, als werdender Vater. So, so. Ein Kind kann viel Arbeit machen. Frag Marion mal, wie das erst mit zwei Kindern ist. Eines kann ich dir sagen, trotz Mutterrolle, kranken Kindern und einem Mann, der kaum zu Hause ist, lässt Marion unser Haus nicht so verkommen.«
»Nun komm, deine Frau ist ja nun nicht ganz alleine. Immerhin kümmert sich deine Mutter auch um die beiden Kinder.« Frank wollte sich nicht weiter auf das Glatteis einer Lebens- und Erziehungsdiskussion einlassen, bei der er als noch unbedarfter Vater eines ungeborenen Kindes nur verlieren konnte. Lieber das Thema wechseln. Deshalb zog er willkürlich eine der Tageszeitungen zu sich und warf einen Blick auf die Titelseite. Er stutzte. Ein Artikel war mit blauem Marker eingekreist.
Staatsanwaltschaft wirft Ex-Chefarzt Totschlag vor
DINSLAKEN/ DUISBURG. Vor dem Landgericht Duisburg kommt es demnächst zu einem spektakulären Prozess gegen einen Mediziner. Die Duisburger Staatsanwaltschaft hat den ehemaligen Chefarzt der Chirurgie am St.-Marien-Spital wegen Totschlags angeklagt. Der 58-Jährige soll vor gut zwei Jahren den Tod eines 81-Jährigen Rentners billigend in Kauf genommen haben. Bei dem schwer herzkranken Mann war es während einer Operation zu Komplikationen gekommen. Allerdings soll der Mediziner lebenswichtige Maßnahmen aber nicht angeordnet haben. Stattdessen, so sollen Zeugenaussagen belegen, habe der Chirurg mit dem Daumen nach unten gezeigt. Die Staatsanwaltschaft Duisburg geht daher nicht von einem medizinischen Kunstfehler aus. In diesem Fall wäre mit einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung zu rechnen gewesen. Im Fall des Dinslakener Rentners wird eine gezielte unterlassene Hilfeleistung vermutet.
jfk
Frank schob die Zeitung Ecki zu, der inzwischen an der anderen Tischseite Platz genommen hatte. Ecki las den Artikel aufmerksam. »Interessante Geschichte. Ich sage ja immer, dass ich mich nicht so ohne Weiteres unters Messer legen würde. Du siehst ja, was dir passieren kann. Vor allem als Rentner. Irgendwann bist du in einem Alter, in dem die Ärzte ganz simpel
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