Maskenball
Nach dem Krieg hatten dort Einheiten der britischen Streitkräfte ihre Büros, Kantinen und sogar eine Kirche. Die Häuser selbst waren noch viel älter und einmal Teil einer Besserungsanstalt gewesen.
In den vergangenen Jahren war eines der großen Häuser mit Millionenaufwand komplett entkernt und auf den neuesten Stand moderner Altenbetreuung gebracht worden. Nur die denkmalgeschützte Außenfassade war erhalten geblieben.
Frank und Ecki wurden bereits von der aufgeregten Heimleitung erwartet und in ein Besprechungszimmer nahe dem Empfang gebeten. Dort saß bereits in Tränen aufgelöst die diensthabende Stationsschwester. Die beiden Ermittler hatten Mühe, die junge Frau zu beruhigen. Offenbar hatte sie sich bereits vor ihrer Vorgesetzten rechtfertigen müssen.
Wie sich nach und nach herausstellte, war Johann Engels bereits seit dem Vorabend verschwunden. Der 80-Jährige war nach 18 Uhr nicht mehr gesehen worden. Da sich Engels wegen seiner altersbedingten zeitweisen Orientierungslosigkeit in ernster Gefahr befinden konnte, war man im Seniorenstift sehr besorgt. Vor allem wollte die resolut auftretende Leiterin der Einrichtung mit allen Mitteln verhindern, dass der Fall in der Öffentlichkeit Schlagzeilen machte. Das konnten ihr Frank und Ecki allerdings nicht versprechen. Da Johann Engels schon einmal vermisst gewesen und dann am Friedhof in Rheydt aufgegriffen worden war, beorderte Frank noch während des Gesprächs über Handy eine Hundertschaft zum Friedhof am Grenzlandstadion, um das Gelände dort weiträumig zu durchsuchen. Auf den Einsatz eines Hubschraubers musste er vorerst verzichten, da alle verfügbaren Helikopter bereits mit anderen Aufgaben in der Luft waren.
Die anschließende Befragung des Personals brachte nichts Wesentliches zutage. Johann Engels lebte seit einem Jahr in dem Stift. Er war nach dem Tod seiner Frau dort eingezogen. Angehörige hatte er keine mehr. Sein unverheirateter Sohn war vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und seine geschiedene Tochter war vor einem Jahr kinderlos an Brustkrebs gestorben. Engels galt bei den Pflegern und Krankenschwestern als unauffällig und in seinen lichteren Augenblicken als durchaus gesellig. Niemand konnte sich erinnern, dass Johann Engels in letzter Zeit Besuch gehabt hatte oder Angst vor irgendjemanden gehabt hatte. Ein unauffälliger lebenserfüllter Senior, der langsam seinem Ende entgegen ging, wie es ein Pfleger umschrieb.
Da Frank und Ecki in den Gesprächen keine Anhaltspunkte oder Anzeichen für ein gewaltsames Verschwinden ausmachen konnten, waren sie nach gut einer Stunde wieder auf dem Weg ins Präsidium.
Frank sah im Rückspiegel die Zufahrt zum Seniorenstift kleiner werden. »Ich kann nur hoffen, dass ich nicht eines Tages mit Altersdemenz in einem Pflegeheim lande. Das muss doch grausam sein, dem Tod entgegen zu dämmern.«
»Fragt sich nur, für wen. Für dich oder für deine Angehörigen. Ich tippe mal, dass es für Lisa schlimmer als für dich sein wird. Denn du wirst von deinem Zustand bestimmt nichts merken.« Für Ecki schien das Thema nicht weiter bemerkenswert zu sein, denn er durchforstete bereits konzentriert einen kleinen Stapel CDs. »Warte, ich muss den Titel irgendwo hier drauf haben. Der passt zu deiner Stimmung.«
»Nee, komm, verschone mich. Was suchst du denn überhaupt?«
»Camillo Felgen.«
»Camillo Felgen? Der von Spiel ohne Grenzen?«
»Ja. Genau der.«
»Und wieso ausgerechnet Camillo Felgen?«
Ecki konnte sein Grinsen nicht länger unterdrücken. »Na, du kennst doch bestimmt seinen Hit Ich hab’ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren’!«
»Blödmann.«
»Na, na, ein bisschen mehr Respekt bitteschön, immerhin war er 1958 bei Radio Luxemburg ein echter Radiopionier. Er hat auch für andere Künstler Schlager geschrieben. Zum Beispiel für Connie Francis. Schöner fremder Mann. Das Lied, das Lisa immer singt, wenn sie mich sieht.«
Frank verdrehte die Augen. »Eingebildet bist du wohl gar nicht, oder?«
»Nee, warum?«
»Lass man. Und, bitte, lass die CD draußen, ich bin jetzt nicht in der Stimmung für deutschen Schlager.«
»Einverstanden. Aber dafür schaffen wir den Weg ins Büro auch ohne Blues, oder?«
Frank nickte großzügig. »Geschenkt. Sag mir lieber, was du von dem verschwundenen Rentner hältst.«
»Ich denke genau wie du.«
»Dass Engels wieder auftaucht. Vermutlich auf dem Friedhof. Was immer er da sucht.«
»Jep.«
»Ich denke nicht, dass du mit Demenz
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