MASKENBALL UM MITTERNACHT
sollten bemerken, wie tief seine Worte sie verletzt hatten.
Sie eilte durch den Ballsaal, ohne einen Blick nach links oder rechts zu werfen, wollte nur so schnell wie möglich der beschämenden Szene auf der Terrasse entfliehen. Durch den roten Nebel ihres Zorns bemerkte sie, dass der Saal sich geleert hatte, auch die Musiker hatten die kleine Bühne an der entfernten Stirnseite verlassen.
Das Souper. Die Gäste hatten sich zu einem leichten Mitternachtsmahl im angrenzenden Speisesaal versammelt. Callie schlug die Richtung ein, in letzter Sekunde dachte sie daran, dass sie immer noch Lord Bromwells Cape um die Schultern trug. Im Gehen riss sie sich den Umhang herunter, faltete ihn zu einem handlichen Bündel, betrat den Raum und blickte sich suchend um.
Schließlich entdeckte sie ihre Großmutter, die mit Tante Odelia und einer weiteren älteren Dame an einem runden Tisch saß, mit Delikatessen belegte Teller vor sich. Lady Odelia hatte, wie nicht anders zu erwarten, das Wort wieder einmal an sich gerissen. Die Dowager Duchess hörte ihr höflich zu, in kerzengerader Haltung, ohne mit dem Rücken die Stuhllehne zu berühren, aber ihre Augen waren leer vor Langeweile.
Callie trat an den Tisch und wurde von ihrer Großmutter freudig empfangen. „Calandra! Da bist du ja. Wo hast du nur gesteckt? Ich konnte dich nirgends finden und habe Rochford auf die Suche nach dir geschickt.“
„Ja, ich habe ihn grade gesehen“, antwortete Callie knapp und nickte den anderen Damen zu. „Großmutter, ich würde gerne nach Hause fahren, wenn du nichts dagegen hast.“
„Aber natürlich.“ Die Duchess wirkte erleichtert und machte Anstalten, sich zu erheben. „Fühlst du dich nicht wohl?“
„Ich … ich habe Kopfschmerzen, fürchte ich.“ Callie wandte sich mit einem höflichen Lächeln an ihre Großtante. „Es tut mir leid, Tante Odelia. Es ist ein wunderschönes Fest, aber ich fühle mich ein wenig unpässlich, fürchte ich.“
„Ich verstehe. Zweifellos die Aufregung“, stellte Lady Odelia selbstgefällig fest und wandte sich ihrer Tischnachbarin zu. „Die jungen Dinger von heute haben einfach nicht mehr die Ausdauer wie wir zu unserer Zeit, finde ich.“ Damit entließ sie Callie mit einer huldvollen Handbewegung. „Geh nur, Kindchen, geh.“
„Ich lasse Rochford durch einen Diener Bescheid sagen, dass wir aufbrechen wollen“, sagte die Duchess und winkte einen Lakai herbei.
„Nein! Lass nur … können wir nicht einfach gehen?“, fragte Callie. „Mein Kopf droht zu zerspringen. Und Rochford findet den Weg allein nach Hause, nicht wahr?“
„Ich denke schon.“ Die Duchess musterte das Gesicht ihrer Enkelin ein wenig besorgt. „Du siehst etwas erhitzt aus. Hoffentlich bekommst du kein Fieber.“
„Ich denke, Lady Odelia hat recht. Es war etwas zu viel Aufregung“, antwortete Callie, „das viele Tanzen und der Lärm …“
„Nun komm, Kindchen.“ Die Dowager Duchess nickte den Damen zu und setzte sich in Bewegung, als ihr Blick auf das Bündel in Callies Hand fiel. „Was trägst du denn da mit dir herum?“
„Was? Ach das.“ Callie krallte die Finger in das Stoffbündel. „Das ist nichts. Ich halte es nur für jemand. Es ist unwichtig.“
Ihre Großmutter warf ihr einen befremdlichen Blick zu, sagte aber nichts mehr. Als sie den großen Ballsaal durchquerten, ertönte Rochfords Stimme hinter ihnen. „Großmutter, warte bitte.“
Die Duchess drehte sich lächelnd um. „Rochford, wie gut, dass wir dich treffen.“
„Ja“, sagte er knapp. Sein Zorn schien sich etwas gelegt zu haben, stellte Callie fest, aber seine Miene war ohne jeden Ausdruck, als er sie ansah. Callie wandte wortlos den Blick ab. „Es ist Zeit, aufzubrechen.“
„Wir sollen also gehen, nur weil du es befiehlst?“, fragte Callie aufbrausend.
Die Duchess warf ihrer Enkelin einen verwunderten Blick zu. „Aber liebste Callie, du hast doch eben noch gesagt, du willst nach Hause.“
„Das kann ich mir vorstellen“, bemerkte Rochford mit einem scharfen Blick zu seiner Schwester.
Callie hätte sich liebend gerne seinen Ton verbeten, ebenso seinen herrischen Befehl, das Fest zu verlassen, aber damit hätte sie sich nur lächerlich gemacht. Sie presste die Lippen aufeinander, hob das Kinn und setzte ihren Weg fort.
„Tut mir leid, Sinclair“, entschuldigte ihre Großmutter sich in ihrem Namen. „Ich fürchte, Calandra fühlt sich etwas unpässlich.“
„Das sehe ich“, antwortete der Duke in einem Anflug von
Weitere Kostenlose Bücher