MASKENBALL UM MITTERNACHT
ihm, fühlte mich von seinen Komplimenten geschmeichelt, und ein paar Wochen glaubte ich sogar, dieser oder jener sei der Richtige für mich. Aber nach einer Weile stellte ich an jedem Mann Wesenzüge fest, die mir missfielen. Und es dauerte nicht lange, bis ich mich erstaunt fragte, was ich eigentlich an ihm gefunden hatte.“
Mit leiser Wehmut in der Stimme fuhr sie fort: „Ich fürchte, unserer Familie ist es nicht gegeben, sich leicht zu verlieben. Schau dir nur Rochford an. Seit Jahren hat ihn jede Mutter im Visier, die einen Bräutigam für ihre Tochter sucht, und er hat sich noch nie verliebt.“
„Nein. Vielleicht hast du recht“, murmelte Francesca versonnen.
„Und kannst du dir die Duchess vorstellen, sich je solcher Gefühlsaufwallungen hingegeben zu haben? Ich wette, sie hat Großvater nur geheiratet, weil sie sich von dieser Verbindung die größten Vorteile versprach.“
Francesca schmunzelte. „Es fällt mir tatsächlich schwer, mir die Duchess im Liebestaumel vorzustellen.“
„Manchmal frage ich mich, ob unserer Familie etwas fehlt. Aber vielleicht ist das Leben für Menschen wie Sinclair und mich dadurch auch leichter. Meine Mutter war meinem Vater in inniger Liebe zugetan, und sie trauerte um ihn bis zur Stunde ihres Todes. Ich glaube, sie sehnte sich sogar danach zu sterben, um im Jenseits wieder mit ihm vereint zu sein. Ich habe sie nur als traurige, melancholische Frau in Erinnerung, die wie ein Gespenst durchs Leben ging, als habe man ihr die Seele geraubt.“ Callie wiegte sinnend den Kopf. „Ich glaube wirklich, es lebt sich leichter, wenn man sein Herz nicht an einen anderen verliert.“
„Mag sein“, meinte Francesca gedehnt. „Andererseits … wenn ich mir Constance und Dominic ansehe …“
Ein warmes Lächeln erhellte Callies Gesichtszüge. „Sie sind so glühend ineinander verliebt, dass man meint, die Sonne geht auf, wenn sie einen Raum betreten. Das stelle ich mir ungeheuer aufregend vor.“
Francesca blickte ins Leere. „Das muss es wohl sein.“
„Warst du auch einmal unsterblich verliebt?“, fragte Callie mit leiser Wehmut.
„Ich glaubte es zu sein“, antwortete Francesca knapp.
Callie errötete. „Oh, verzeih! Ich wollte nicht … wie gedankenlos von mir. Ich vergaß, dass du ja verheiratet warst.“
„Mmm. Je mehr Zeit vergeht, desto öfter vergesse ich das“, erklärte Francesca.
Etwas im Gesichtsausdruck der Freundin ließ Callie vermuten, dass sie selten an ihre Ehe dachte, diese Zeit vielleicht sogar völlig verdrängen wollte.
„Verzeih.“ Callie griff in spontaner Herzlichkeit nach Francescas Hand.
Sie hatte Lord Haughston nur flüchtig gekannt, da er im Jahr von Callies Debüt verstorben war. Er hatte Francesca nur selten begleitet, wenn sie ihre Familie in Redfields besuchte. Aber Callie hatte ohne rationalen Grund den Eindruck, dass Francescas Bruder Leighton den Mann nicht leiden konnte. Und einmal hatte sie gehört, wie ihre Großmutter eine Bemerkung machte, nach der Francesca vermutlich den Tag verwünschte, an dem sie Lord Haughston begegnet war.
„Sei unbesorgt“, tröstete Francesca die Freundin und tätschelte ihre Hand. „Im Übrigen reden wir nicht über mich, sondern über dich.“
Callie lehnte sich zurück und seufzte. „Also gut. Willst du mir helfen?“
„Natürlich will ich das, daran darfst du nicht zweifeln. Aber ich weiß eigentlich nicht, was ich tun könnte, worauf deine Großmutter sich nicht ebenso gut oder noch besser versteht. Die Dowager Duchess hat die besten Beziehungen und kennt Gott und die Welt im ton . Und du brauchst gewiss keine Unterstützung in Fragen des modischen Geschmacks und schon gar keine Nachhilfe in charmanter Ausstrahlung.“
„Wie lieb von dir, das zu sagen. Aber meine Großmutter hat mir versichert, dass du ein goldenes Händchen als Ehestifterin hast. Denk doch nur an die letzten Monate. In der Sommersaison ist es dir gelungen, zwei Paare zusammenzuführen – und beide sind überglücklich.“
„Constance und Irene haben die Liebe ihres Lebens gefunden, aber das hat doch mehr mit ihnen und ihren Ehegatten zu tun als mit mir.“ Francesca lachte hell. „Immerhin hatte ich Constance einem anderen Mann zugedacht.“
„Ich fürchte, du stellst dein Licht unter den Scheffel und verkennst deine wichtige Rolle“, entgegnete Callie. „Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass du in allen Bereichen der Etikette die Expertin schlechthin bist. Und ich bin fest davon überzeugt, dass es
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