MASKENBALL UM MITTERNACHT
modischen schwarzen Abendanzug noch umwerfender aussah. Seine sehnige schlanke Figur hatte die Wattierung eines samtenen Wamses nicht nötig, und die schmal geschnittenen modischen Hosen betonten seine langen muskulösen Beine. Auch klirrende Sporen und ein gegürtetes Schwert waren überflüssig, um seine männliche Ausstrahlung zu betonen.
„Lady Haughston, bitte gestatten Sie mir, Ihnen meinen Vetter Richard, Earl of Bromwell, vorzustellen“, fuhr Mr. Tilford fort.
„Guten Abend, erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen“, grüßte Francesca höflich und bot ihm die Hand. Dann wies sie mit einer anmutigen Bewegung zu Callie an ihrer Seite. „Lady Calandra Lilles.“
Bromwells Augen leuchteten auf, als er sich mit einer respektvollen Verneigung an Callie wandte. „Lady Calandra und ich, wir sind einander bereits begegnet … falls Sie sich erinnern, Mylady.“
„Aber ja“, antwortete Callie und war erleichtert, dass ihre Stimme natürlich und gelassen klang. „Wie könnte ich Lady Pencullys Maskenball vergessen?“
„Aha. Deshalb habe ich Sie nicht erkannt, Lord Bromwell“, meldete Francesca sich zu Wort. „Wir waren ja in Kostüm und Maske.“
„Manche Gäste bleiben auch kostümiert in Erinnerung“, antwortete der Earl mit weicher Stimme. „So wie Sie, Lady Haughston – im Kostüm einer romantischen Schäferin, wenn ich nicht irre.“
„Ja, richtig, Sir.“
„Und Lady Calandra kam als Katherine Parr, obgleich sie zu jung ist für die Rolle dieser Königin.“
„War das dein Kostüm?“, fragte Francesca an Callie gerichtet. „Und ich dachte, du wärst als Anne Boleyn erschienen.“
„Eigentlich wollte ich nur eine Hofdame zur Zeit Heinrichs VIII. sein“, antwortete Callie. „Es war Lord Bromwell, der mir die Rolle der Königin zuwies.“
„Es war mir augenblicklich klar, dass Ihnen diese Rolle zukommt“, entgegnete er.
Es klopfte erneut an der Tür, zwei weitere junge Herren traten ein, wodurch es wirklich sehr eng in der Loge wurde, zumal einen Moment später auch Sir Lucien mit den Getränken für die Damen erschien.
Es blieb Bromwell keine andere Wahl, als ein paar Schritte vorzutreten, um Platz zu machen, wodurch er sich zwangsläufig Callie näherte und zwischen ihr und der Brüstung zu stehen kam.
„Wie ich höre, ist der Duke abgereist“, bemerkte er im Plauderton. „Deshalb bin ich überrascht, Sie hier zu sehen.“
„Ich bleibe einige Zeit zu Gast bei Lady Haughston“, antwortete Callie. „Sie lud mich freundlicherweise ein, bis zum Beginn der Saison bei ihr zu wohnen, während meine Familie auf dem Landsitz weilt.“
Er stand so dicht vor ihr, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn anzusehen. Seine Augen leuchteten dunkelgrau im schwachen Schein der Theaterbeleuchtung, in der Farbe stürmischer Gewitterwolken. Er musterte sie aufmerksam, und sie wünschte, seine Gedanken lesen zu können. Hatte er in den letzten Tagen an sie gedacht? Hatte sich in seine Überraschung, sie wiederzusehen, Freude gemischt?
Er war in Begleitung seines Vetters in ihre Loge gekommen, obgleich Mr. Tilford Francesca nur flüchtig kannte. Das könnte ein Zeichen sein, dass der Earl Interesse an ihr zeigte. Obgleich Callie sehr wohl wusste, dass Francescas blonde Schönheit das Interesse der Männer weckte, vermutete sie, Bromwell sei ihretwegen gekommen, immerhin war er nicht neben Francesca stehen geblieben, sondern hatte sich geschickt in ihre Nähe manövriert.
Callie wandte den Blick, um das Glücksgefühl zu verbergen, das dieser Gedanke in ihr auslöste.
„Ich bin Lady Haughston zu Dank verpflichtet“, erklärte der Earl, „da ich schon befürchtet hatte, Sie vor meiner Abreise nach Norden nicht wiederzusehen.“
„Liegen Ihre Besitzungen im Norden?“, fragte Callie, als habe sie nicht erst vor einer Stunde von Sir Lucien einen genauen Bericht darüber erhalten.
„In Yorkshire. Ich weiß, dass ich in der Londoner Gesellschaft einen seltsamen Ruf habe. Ich verlasse London, wenn sich andere zu Beginn der Saison auf einen längeren Aufenthalt in der Stadt vorbereiten. Aber Frühling und Sommer sind die wichtigsten Jahreszeiten, um mich um die Landwirtschaft zu kümmern.“ Er zog eine Braue hoch. „Nun werden Sie gleich ein entsetztes Gesicht machen und mich fragen, ob ich mich tatsächlich persönlich um die Bestellung meiner Felder und den Viehbestand kümmere.“
„Aber nein“, entgegnete Callie. „Ich halte es für angebracht, sich persönlich um
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