MASKENBALL UM MITTERNACHT
umwerfend komisch. Mr. Swanson lehnte sich lachend nach hinten, sein Stuhl geriet ins Wanken, kippte um und der junge Mann landete auf dem Hosenboden, worauf die Heiterkeitsausbrüche kein Ende nehmen wollten.
Callie nippte an ihrem Glas und versuchte, dem Treiben keine Beachtung zu schenken, was ihr nicht gelingen wollte. Mr. Pacewell – oder welcher auch immer, jedenfalls der, der sein Glas nicht zerbrochen hatte – neigte sich Miss Turner zu, glotzte ihr tief in den Ausschnitt und murmelte ihr etwas ins Ohr.
Callie wandte sich rasch ab und blickte zu Lady Swithington hinüber. Falls sie gehofft hatte, die Dame würde sich wenigstens den Anschein von Sittsamkeit geben, so hatte sie sich geirrt. Daphne saß vorne in der Loge, die Arme auf die Balustrade gelegt, und unterhielt sich leise mit einem fremden Mann draußen auf der Promenade. Der Mann beugte sich nah zu Daphne herunter, ein lüsternes Lächeln umspielte seine Lippen, dann strich er mit einem Finger über ihre Hand und den Unterarm bis zum Ellbogen hinauf.
Callie wusste gar nicht mehr, wohin sie den Blick wenden sollte. In ihrer Verlegenheit nahm sie noch einen Schluck und hüstelte, als das starke Getränk ihr in der Kehle brannte.
Wo blieb denn nur Bromwell? Wieso war er nicht gekommen? Sie wünschte verzweifelt, er wäre hier. Er würde dem Treiben ein Ende setzen, hoffte sie zumindest. Aber wenn er sich ebenso benahm wie die anderen Herren? Wenn er sich an dem Trinkgelage beteiligte, den Frauen auf der Promenade und in den angrenzenden Logen lüsterne Blicke zuwarf?
Ein zweiter Fremder war stehen geblieben, spähte in die Loge, und Callie sah zu ihrem Entsetzen, wie Lady Daphne und Miss Swanson die Fremden hereinbaten. Callie schob ihren Stuhl möglichst weit nach hinten an die Rückwand, um Abstand zu gewinnen, und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte.
Mittlerweile hatte sie die Hoffnung aufgegeben, dass Irene und Gideon noch erscheinen würden; sie bezweifelte auch, dass Brom noch käme. Dieser Abend war zu einem Zechgelage ausgeartet, an dem sie sich keineswegs beteiligen wollte. Aber sie wusste auch nicht, wie sie diesem Albtraum entfliehen könnte. Der Gedanke, sich alleine durch das Gedränge der Passanten zu schlängeln, ließ sie erschauern. Zu dieser nächtlichen Stunde war der Vergnügungspark kein sicherer Ort für eine Dame, sie wäre anzüglichen Bemerkungen und lüsternen Blicken ausgesetzt – wenn nicht schlimmeren Zudringlichkeiten.
Keinen der Herren in ihrer Begleitung kannte sie gut genug, um ihm vertrauen zu können, sie vor Belästigungen fremder Männer zu beschützen. Zudem waren sie allesamt zu betrunken, um überhaupt fähig zu sein, sie zu einer Mietdroschke zu bringen.
Callie stellte ihr Glas ab und rieb sich die Schläfen, fühlte sich selbst ein wenig benebelt und fragte sich, wie viel sie getrunken hatte. Ein Glas – nein, zwei mit Sicherheit, denn immer, wenn sie ihr Glas abstellte, wurde es augenblicklich nachgefüllt. Lady Daphne hatte den Diener vermutlich angewiesen, dafür zu sorgen, dass ihre Gäste mit Getränken stets wohlversorgt waren.
Und schon wieder war der Diener zur Stelle. Callie schüttelte zwar verneinend den Kopf, er aber nahm keine Notiz von ihrer Ablehnung, füllte ihr Glas und entfernte sich. Seufzend versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen, und nahm sich vor, keinen Schluck mehr zu trinken, auch wenn sie noch so nervös war. Sie brauchte einen klaren Kopf, um mit der Situation fertig zu werden.
„Was? So ganz allein?“, fragte eine nuschelnde dunkle Stimme. Einer der beiden Fremden, die Daphne in die Loge gebeten hatte, ließ sich schwer auf einen nahe stehenden Stuhl fallen. „Das darf doch nicht sein, ein hübsches junges Ding wie Sie.“
Er schenkte ihr ein Lächeln, von dem er gewiss überzeugt war, es sei höchst verführerisch und charmant.
„Ich fühle mich recht wohl, allein zu sein“, erwiderte Callie frostig.
Aus einem unerfindlichen Grund schien er ihre ablehnende Bemerkung amüsant zu finden, denn er lachte in sich hinein. „Aha, ein bisschen prüde, wie?“ Er hielt ihr das Glas hin. „Hier, trinken Sie ein Schlückchen, das lockert Sie ein wenig auf.“
„Nein, danke.“
Achselzuckend schüttete er den Inhalt in sich hinein. Dann beugte er sich vor und beäugte sie. „Wassn los? Wollen Sie keinen Spaß haben?“
Callie wich zurück. Sein Atem stank säuerlich nach Alkohol, und seine Augen waren glasig und blutunterlaufen. „Nein“, entgegnete sie
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