MASKENBALL UM MITTERNACHT
Lockenfülle und der Halbmaske war sie eine geradezu geheimnisvoll elegante Erscheinung, dachte Callie und kicherte bei dem Gedanken, denn eigentlich kam sie sich keineswegs elegant und geheimnisvoll vor. Sie bebte vor Aufregung wie ein junges Mädchen vor ihrem ersten Ball, ihre Wangen glühten, ihr Herz schlug schnell.
Vor Lady Swithingtons hell erleuchtetem Herrenhaus empfing Callie ein livrierter Lakai und ließ sie mit einer Verneigung ein. Der Butler führte sie in den Empfangssalon, wo eine Schar junger Leute munter miteinander plauderte. Außer Lady Swithington waren die Geschwister Swanson anwesend, Mr. Tilford und zwei junge Herren sowie eine junge Dame, die Callie nicht kannte.
„Lady Calandra!“ Daphne rauschte herbei und ergriff Callies beide Hände. „Ich freue mich überaus, dass Sie kommen konnten, und darf Ihnen die anderen Gäste vorstellen, die uns zu unserer kleinen Lustbarkeit begleiten.“
Die jungen Herren waren nach der neuesten Mode gekleidet mit allem Zierrat, der in dieser Saison unverzichtbar war. Einer trug eine Blume im Knopfloch, groß wie eine Untertasse, an der Uhrkette des zweiten baumelten so viele goldene Klunker, dass zu befürchten war, die Kette müsse unter der Last reißen. Ihre Rede würzten die Dandys mit affektierten Floskeln, über die sie sich köstlich zu amüsieren schienen, wobei Callie allerdings der Grund ihrer Heiterkeit leider entging.
Miss Swanson und die fremde junge Dame, eine Blondine mit einem schrillen Kichern, schienen die beiden Herren umwerfend charmant zu finden, sie hingen an ihren Lippen und wollten sich über jedes banale Bonmot vor Lachen schier ausschütten.
Als die Blonde ein besonders schrilles Lachen von sich gab, zuckte Lady Daphne ein wenig zusammen und stellte sie als Miss Lucilla Turner vor; bei den Herren handelte es sich um Mr. William Pacewell und Mr. Roland Sackville. Unmittelbar nach der Vorstellung wusste Callie nicht mehr, wer von den beiden der eine oder der andere war. Da sie allerdings wenig Interesse daran hatte, sich mit ihnen zu unterhalten, störte sie das nicht sonderlich.
Sie nickte Mr. Swanson und seiner Schwester zu, erleichtert, zwei bekannte Gesichter zu sehen, und blickte sich suchend nach den anderen um.
„Ach, Sie halten wohl Ausschau nach meinem Bruder“, stellte Lady Daphne mit einem bedeutsamen Lächeln fest. „Er will uns später in Vauxhall treffen. Sie wissen ja, wie Männer sind, ständig beschäftigt und auf Tour.“
„Ja, ich verstehe.“ Callie bemühte sich lächelnd, ihre Enttäuschung zu verbergen. „Lord und Lady Radbourne verspäten sich wohl gleichfalls, nehme ich an.“
„Anscheinend, aber es ist ja noch früh am Abend. Ich lasse Ihnen eine Erfrischung bringen, solange wir auf sie warten.“
Sie winkte einem Diener, und kurz darauf hielt Callie ein Glas Fruchtlikör in der Hand, nippte daran und unterhielt sich mit Lady Daphne, fühlte sich jedoch irgendwie gehemmt und deplatziert. Callie war keineswegs schüchtern, aber das hohle Geschwätz, das affektierte und lärmende Gehabe der beiden Herren störte sie beträchtlich.
Die Minuten krochen dahin, und Irene und Gideon ließen immer noch auf sich warten. Lady Daphne warf gelegentlich einen flüchtigen Blick zur Kaminuhr, lächelte und meinte leichthin, die Radbournes wurden vermutlich aufgehalten und würden gewiss bald erscheinen.
Nachdem Miss Turner zum wiederholten Mal gefragt hatte, wann man endlich aufbreche, meinte Lady Daphne schließlich seufzend: „Nun, ich denke, wir sollten uns auf den Weg machen. Lord Bromwell erwartet uns auch schon bald in Vauxhall.“
„Und was ist mit Lord und Lady Radbourne?“, fragte Callie.
„Ich habe keine Ahnung, wo sie bleiben. Aber mit Sicherheit verspäten sie sich nur. Mein Butler wird ihnen ausrichten, wo sie uns in Vauxhall treffen.“
„Vielleicht sollte ich auf sie warten“, schlug Callie vor, der nicht wohl war bei dem Gedanken, ohne Gideon und Irene aufzubrechen. Auch Francesca würde es nicht gerne sehen, wenn sie mit Lady Swithington und diesen fremden jungen Leuten loszog.
„Um Himmels willen, nein“, protestierte Lady Swithington heiter. „Was ist, wenn sie tatsächlich verhindert sind und gar nicht erscheinen? Dann wären Sie um das Vergnügen gebracht. Vielleicht haben die Radbournes ohnehin beschlossen, uns gleich im Park zu treffen. Sie wollen doch gewiss nicht den Abend alleine hier verbringen.“
Damit hatte sie natürlich recht. Callie hatte keine Lust,
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