Maskenschmuck (German Edition)
auf einen Parkplatz am Rand der Altstadt und versuchte, sich anhand ihrer Wegbeschreibung zu orientieren.
Schließlich machte sie sich zu Fuß auf den Weg, da einige Straßen so eng waren, dass sie mit dem ungewohnten Hänger befürchtete, nicht mehr wenden zu können. Direkt im idyllischen Altstadtkern wurde sie endlich fündig. Die Werkstatt war im Hinterhof eines zweigeschossigen alten Fachwerkhauses untergebracht. Bewundernd ließ sie ihre Blicke über die schöne alte Fassade streifen. Es handelte sich um einen typisch niedersächsischen Fachwerkbau, der besonders durch seine reich geschnitzten Schmuckformen ins Auge stach. Es sah solide gebaut und gleichzeitig unheimlich gemütlich aus.
Dann trat sie in die offenstehende Werkstatt und traf gleich auf Herrn Rasmussen. Sie erklärte ihm kurz, wo ihr Wagen stand, und er schickte seine Gehilfen dorthin.
„Sie hätten hier sowieso nicht hinfahren dürfen. Hier ist nur Be- und Entladen der Geschäftseigentümer erlaubt.“ Er musterte sie aufmerksam.
„Habe ich Sie nicht schon irgendwo gesehen? So ein hübsches Gesicht vergesse ich nicht so leicht. Doch!“, fiel es ihm wieder ein, „Das war in Hamburg auf der Messe. Und ich weiß noch, dass Sie sich für meinen Kindersekretär begeisterten. Kommen Sie doch mal mit nach hinten.“
Und schon führte er Rebecca nach hinten durch etliche ineinander verschachtelte Räume seiner Werkstatt. Als er ihre interessierten Blicke bemerkte, erklärte er, „Das Haus ist schon sehr alt, es ist bereits seit mehreren Generationen in der Familie. Es wurde immer wieder an- oder umgebaut, je nach Bedarf. Ich selbst habe dann so viele Wände wie möglich herausnehmen lassen, um Platz zu schaffen, daher gibt es hier so viele Winkel. Alle Mitglieder unserer Familie waren Möbelbauer oder Kunsttischler.“
Stolz wies er auf eine Reihe alter, teilweise vergilbter Fotografien in unterschiedlichen Größen, die fast eine ganze Wand bedeckten. Rebecca trat näher, um sie in Augenschein zu nehmen. Viele ernste Gestalten blickten ihr entgegen, fast ausnahmslos dunkel gekleidet. Etliche Aufnahmen zeigten auch das Haus. In der unteren Reihe sah sie schließlich auch Farbporträts. Bevor sie dazu kam, die Fotos genauer zu betrachten, fuhr Herr Rasmussen jetzt in deutlich niedergeschlagenem Tonfall fort, „Aber ich möchte Sie damit nicht langweilen, außerdem bin ich wohl ohnehin der letzte dieser langen Reihe. Mein Sohn arbeitet seit Jahren als Therapeut in Düsseldorf. Er hatte immer zwei linke Daumen und wollte mit Handwerk so gar nichts zu tun haben. Na gut, das gibt es, ich hätte ihn auch niemals dazu gezwungen. Das macht man heutzutage nicht mehr. Mich hat damals niemand gefragt, was ich werden wollte. Ich habe schon als kleiner Junge bei meinem Vater in der Werkstatt gestanden und mit angepackt.“
Abwesend ließ er seine knorpeligen Finger liebevoll über ein Möbel gleiten.
„Nicht, dass ich es jemals bereut hätte. Jedes meiner Möbelstücke erzählt seine eigene Geschichte. Viel davon sind älter, als ich je sein werde. Aber ich hätte es natürlich auch gerne gesehen, wenn das Haus im Familienbesitz geblieben wäre und die Werkstatt weitergeführt würde. Es sah auch einmal fast so aus, als wenn mein einziger Enkel in meine Fußstapfen treten würde, aber inzwischen hat er sich umorientiert. Er sprach zwar immer von einer Zwischenphase, aber daran glaube ich nicht mehr. Er reist viel in der Welt herum, verdient gut – da kommt er bestimmt nicht mehr in so ein kleines Kaff zurück.“
In diesem Moment wurde er von seinen Mitarbeitern unterbrochen, die Rebeccas Schrank hereinschleppten. Er wandte sich von ihr ab, um ihnen einen Platz für den Schrank zuzuweisen. Sie nützte die Gelegenheit, sich weiter in der Werkstatt umzusehen. Es standen sehr viele, teils reparaturbedürftige, aber auch fertig restaurierte Möbel herum. Da war auch der kleine Kindersekretär, in den sie sich in Hamburg auf Anhieb verliebt hatte.
„Wer weiß, was die Reparatur von meinem Schrank kostet. Ich bin leider nicht Krösus“, dachte sie, und ging weiter.
Auf und um die Arbeitstische und Werkbänke standen und lagen die verschiedensten Werkzeuge. Für einen Laien mochte es nach Unordnung und Wirrwarr aussehen, aber der Handwerker in Rebecca konnte die durchaus sinnvolle Anordnung erkennen. Hochachtungsvoll musterte sie das gut gepflegte und wertvolle Werkzeug.
Hier ließ es sich bestimmt gut arbeiten, dachte sie, als sie den letzten Raum
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