Maskerade
Dann erkannte sie, daß sie sich ihrer Tür näherten, und gleich darauf hörte sie ihren Namen rufen.
Sie bemühte sich, ihre Müdigkeit niederzuzwingen, und rief zurück: „Ja?“
„Was meinst du, Cara?“ fragte Liz, indem sie eintrat. Penny kam wie ein kleiner Hund hinter ihr hergetrottet. „Cara, findest du diese kugeligen, blanken Messingknöpfe hübscher, oder gefallen dir die flachen, mattgoldenen besser? Pennys Kleid ist nur mit Nadeln zusammengesteckt, also bitte nicht anfassen!“ Pennys Steckkleid überraschte Cara durch seine Originalität und klare, strenge Linie. „Das wird ein tolles Kleid!“ rief sie staunend und begeistert aus. „Es ist so — so — nun, so einfach!“
„Ich habe es schräg geschnitten“, erklärte Liz. „Die Knöpfe werden quer auf das Vorderteil gesetzt, um diesen Effekt zu unterstreichen.“
Cara betrachtete das Werk aufmerksam und wiegte überlegend den Kopf hin und her. „Ich stimme für die dicken Messingknöpfe“, entschied sie dann.
„Ich finde sie auch hübscher“, bestätigte Liz und fügte dann hinzu: „Penny, du hältst dich nicht gerade!“
„Du solltest ihr ein Buch auf den Kopf legen; das tun doch die Mannequins, nicht wahr?“ lachte Cara.
„Ich bin kein Mannequin“, stellte Penny verdrießlich fest. Hinter ihnen erklang plötzlich eine helle Stimme: „Nun, versäume ich etwas?“ Es war Melanie, frisch dem Bade entstiegen. Sie trug einen knallroten Seidenkimono und dazu passende Pantöffelchen. Ihr Haar wurde über der Stirn von einem roten Ripsband zusammengehalten.
Cara fand, daß sie etwas verlegen wirkte, wie sie da in der Tür stand. Vielleicht war sie sich dessen bewußt, noch nie zuvor Cara in ihrem Zimmer aufgesucht zu haben.
„Liz, welch ein Prachtstück!“ versuchte Melanie sich über das unangenehme Gefühl, etwas versäumt zu haben, hinwegzusetzen. „Nähst du das etwa?“
„Hm, ja. Wir haben uns gerade über die Knopfwahl unterhalten.“
Melanie spazierte um Penny herum, als sei diese eine Schaufensterpuppe.
„Sehr vornehm und geschmackvoll“, lautete dann ihr gnädiges Urteil. „Für wen machst du das denn?“
Liz zog die Augenbrauen hoch. „Nun, für Penny natürlich.“
„Oh!“
Cara lächelte über den Ton, der in diesem „Oh!“ lag. Melanie hatte verstanden, mit dieser einen Silbe ihre ganze Geringschätzung und ihre Überzeugung auszudrücken, daß dieses zauberhafte Kleid für Penny an die Perlen erinnere, die man nicht vor die Säue werfen soll, und daß Liz ihre Zeit daran gleichermaßen sinnlos verschwendete. Liz schenkte dem allem keinerlei Beachtung, aber Pennys Schultern sanken noch tiefer nach vorn, und sie errötete.
„Wenn du es nicht für Penny entworfen hättest“, stichelte Melanie weiter, „könntest du es beim Modeschauwettbewerb der Schule einreichen. Zu schade!“
Liz horchte überrascht auf. „Das ist aber doch wohl ein Wettbewerb für fortgeschrittene Schülerinnen, nicht wahr?“
Melanie schüttelte den Kopf. Man sah ihr an, daß es ihr wohl tat, endlich Liz’ Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben.
„Im Gegenteil, mein Schatz, ich habe die Richtlinien gestern mit heimgebracht. Man meint nur, er sei nur für ältere Jahrgänge, weil im allgemeinen bloß die Arbeiten der Fortgeschrittenen gezeigt werden. Aber da steht in klaren, schwarzen Buchstaben gedruckt, daß jeder einen Entwurf einreichen darf.“
„Tolle Sache!“ begeisterte sich Liz, „was planst du denn?“ Melanie zog die Schultern hoch. „ Oooooch , nichts. Ich bin zu faul dazu, und die Zeit ist zu kurz. Ich würde mir zwar mit Wonne ein Modell ausdenken und zeichnen, aber was passiert dann, wenn man es annimmt und mir den Auftrag gibt, es für die Modenschau zu schneidern? Ich hasse das Gestichel nun einmal! Viele der allerbesten Modeschöpfer können selbst nicht nähen, und ich garantiere, daß ich keine Nadel mehr anrühre, sobald ich diese Schule hinter mir habe. Aber ich würde gern für dich Mannequin spielen und dein Kleid am großen Tag vorführen, wenn es dir recht ist und dein Werk zu den erwählten zählt“, bot sie Liz an. Und so ganz nebenbei fügte sie noch hinzu: „Ich bin hin und wieder schon als Mannequin aufgetreten, mußt du wissen.“
„Was für ein Wettbewerb ist das?“ interessierte sieb nun auch Cara.
Melanie glänzte in ihrer Rolle, als sie großartig Auskunft gab: „Jedes Jahr im Dezember geben die Schülerinnen einen Ball, und in der Pause findet eine Modeschau statt. Das
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