Maskerade in Rampstade (German Edition)
Tochter in der Hauptstadt nicht zu denken. Natürlich war es mir nicht entgangen, daß James in letzter Zeit auffallend viel Zeit in Elizabeths Gesellschaft verbrachte. Doch das hatte mich nicht weiter gewundert, denn aus dem unscheinbaren Kind war eine überaus hübsche junge Dame geworden. Sie war blond, mit großen, haselnußbraunen Augen, die immer aufleuchteten, sobald sie James erblickte. Sie war ein ernstes, stilles Mädchen, und wenn ich es recht überlegte, so würde sie eine passende Ehefrau für meinen Bruder abgeben. Ich konnte James daher zu seiner Wahl nur gratulieren, und meine Glückwünsche kamen von Herzen. Und doch begann ich mir insgeheim Sorgen um meine eigene Zukunft zu machen. Bald würde eine neue Herrin meine Stelle auf Matthews Manor einnehmen, und diese hatte dann das Recht, das Zepter in die Hand zu nehmen und die Dinge nach ihren Vorstellungen zu gestalten und zu verändern. Auch wenn ich annahm, daß James mich nie aus meinem Elternhaus vertreiben würde, so wußte ich doch, daß es Zeit für mich war, an die Gründung einer eigenen Familie zu denken. Ich wäre gerne für einige Zeit nach London gegangen, aber leider war das nicht möglich, da Tante Helen in der Zwischenzeit gebrechlich und bettlägerig geworden war. Sie wurde zwar von zwei ihrer Cousinen liebevoll betreut, wie sie in ihren häufigen Briefen versicherte, so daß ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Unddoch hatte ich durch ihre Krankheit keine geeignete Anstands-person mehr, die mich in die feine Londoner Gesellschaft hätte einführen können. George ließ nichts mehr von sich hören. Manchmal, in Momenten, wenn ich besonders mutlos war, zweifelte ich daran, daß es wirklich aussichtsfeich war, weiter von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Obwohl ich natürlich nicht wirklich bereit war, all die schönen Traume aufzugeben, die ich seit meiner Jungmädchenzeit gehegt hatte. Wenn ich doch nach London hätte fahren können, dann hätte ich George treffen und um seine Liebe kämpfen können. Aber so waren mir die Hände gebunden. Und dann war da natürlich noch Edward Stinford. Seine Heiratsanträge waren zahlreich, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen, sie anzunehmen.
Also blieb mir keine andere Wahl, als im Hause meines Bruders zu bleiben und zu versuchen, mich mit der jungen Ehefrau zu arrangieren. Das erwies sich als gar nicht so schwierig. Elizabeth war unter der Obhut einer äußerst dominanten Mutter aufgewachsen. Sie war es gewohnt, sich unterzuordnen. Ich hatte den Eindruck, als sei sie sogar froh darüber, sich nicht um den Haushalt ihres Gatten kümmern zu müssen und die weitreichenden Pflichten der Herrin auf Matthews Manor zu übernehmen. Elizabeth war still und bescheiden und hatte bald die Herzen unserer langjährigen Dienstboten erobert. Sie war beliebt und wurde umsorgt – doch die erste Geige spielte weiterhin ich. Meine Schwägerin ging mir eifrig zur Hand, wenn ich sie um einen Gefallen bat. Sie schmuckte jeden Raum mit kunstvollen Blumengestecken, die sie persönlich zusammenstellte und verbrachte die Abende, an denen wir nicht ausgingen, am liebsten über ihren Stickrahmen gebeugt. Stundenlang konnte sie sich damit beschäftigen, führte die feinsten Petit-Pointarbeiten aus, zu denen mir die Geduld fehlte. Ich saß in dieser Zeit mit James über den Wirtschaftsbüchern, die uns vom Verwalter vorgelegt worden waren oder wir diskutierten über Änderungen oder Neuerungen, die James auf dem Gut einführen wollte. Alles in allem boten wir drei sicher ein harmonisches Bild. Und wir führten ja auch ein harmonisches Leben. Doch manchmal, wenn ichdarüber nachdachte, beschlich mich das schlechte Gewissen, meine kleine Schwägerin so in eine Nebenrolle zu drängen. Seit einigen Monaten stand zudem fest, daß Elizabeth ein Kind erwartete. Da wußte ich endgültig, daß ich mich zu einer Veränderung meines Lebens würde durchringen müssen.
Mally, voll des Eifers, daß endlich wieder Nachwuchs ins Haus stand und sie wieder ihre angestammte Position als Kinderfrau übernehmen konnte, nahm mich eines trüben Nachmittags ernsthaft ins Gebet: »Es ist nicht gut, wenn ihr beide weiter so tut, als ob Master James nie geheiratet hätte«, hatte sie mir erklärt. »Jetzt, da die kleine Lady ihm einen Erben schenken wird, ist es Zeit, daß sie die Herrin in diesem Hause wird. Und ebenso ist es an der Zeit, daß Sie sich nach einer eigenen Familie umsehen. Wollen Sie denn wirklich hierbleiben, als
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