Maskerade in Rampstade (German Edition)
kennst du überhaupt den Weg durch den Park zur Terrassentür?« wollte ich wissen. »Und woher wußtest du eigentlich, daß ich mich hier befinde? Und daß heute ein Maskenball stattfindet?« Jojo lachte leise: »Daß du hier bist, weiß ich von Jem, und der weiß es von dem Stallburschen, der dich hierherbrachte. Und daß heute ein Maskenbali stattfindet, das weiß jeder in der Umgebung. Dir ist ja schon wieder kalt.«
Diese letzte Feststellung bezog sich auf das Frösteln, das sich meiner unerwartet heftig bemächtigt hatte. Der Abend war wirklich schon unangenehm kühl, und die Kälte drang ungehindert durch mein dünnes Kleid.
»Mir scheint, ich komme immer zurecht, um dich zu wärmen.« Jojo grinste und breitete seine Arme aus.
Sollte ich mich wirklich noch einmal von ihm umarmen lassen? Ich wollte es so gerne tun. Was er wohl von mir dachte, wenn ich diesem Drängen nachgab? Es war doch wirklich unschicklich, wenn eine junge Dame…
Da fiel mein Blick in seine dunklen Augen, die mit einem zärtlichen und gar nicht mehr spöttischen Lächeln auf mich herniederblickten. Und so fiel ich ihm ohne ein Wort in die Arme und ließ es zu, daß er mich ganz fest an seinen Körper drückte. Ungeduldig erwartete ich, daß er mich küßte, doch er tat nichts dergleichen.
»Komm mit«, flüsterte er statt dessen und führte mich von der Terrasse in den Garten hinunter. Zu meiner Überraschung führte er mich zu der versteckten kleinen Bank, bei der mich George am Tage meiner Ankunft erwartet hatte. Wieso besaß er wohl diese genaue Ortskenntnis?
Wir blieben vor der Bank stehen und Jojo legte beide Hände auf meine Schultern: »Liebst du George Willowby?« fragte er überraschend.
Ich blickte ihn erstaunt an. Gab es etwas, was diesem Mann verborgen bleiben konnte? Ich schüttelte den Kopf.
»Aber dennoch bist du mit ihm verlobt«, stellte er fest.
»Nein, das bin ich nicht«, sagte ich ehrlich.
»Nein?« Es schien mir nicht gelungen zu sein, ihn zu überzeugen. Zweifelnd blickte er mich an. Was für einen Sinn hätte es gehabt, ihn anzulügen? Für George würde es doch gleichgültig sein, ob dieser fremde Mann die Wahrheit kannte oder nicht. Ich wollte ihn nicht belügen. Zudem tat es gut, endlich einmal jemandem sein Herz auszuschütten. Die Belastung zu teilen, die ich mit der Scheinverlobung und den damit verbundenen Lügen auf mich genommen hatte. Jojo hörte mir interessiert zu, während ich die ganze Geschichte vor ihm ausbreitete. Ich ließ nichts aus. Nicht meine Beweggründe, George zu helfen, nicht, daß ich tatsächlich gedacht hatte, ich würde George lieben, als ich auf seinen Brief hin hierher reiste. Ich erzählte vom Testament der Herzogin und von der Rivalität der beiden Cousins. Als ich geendet hatte, erschien mir Jojo in einer Stimmung zu sein, die zwischen Amüsement und Fassungslosigkeit schwankte: »Willowby und Cristlemaine streiten um das Erbe von Rampstade?« wiederholte er fassungslos. »Man sollte glauben, Crisdemaine sei reich genug, als daß er sich in solch einen Wettstreit einlassen würde. Vielleicht solltest du Willowby gelegentlich einmal darauf hinweisen.«
»Aber das ist es ja, was George so auf die Palme bringt«, erklärte ich. »Er findet es ungerecht, sich mit einem Mann um das Erbe zu streiten, der selbst mehr als genug besitzt, während er sich…«
»… in ständiger Geldverlegenheit befindet«, vollendete Jojo gelassen den Satz, den ich erschrocken unterbrochen hatte. Ich wollte auf keinen Fall schlecht über George sprechen.
»Denkst du, George würde das Erbe von Rampstade verschleudern, wenn es ihm zufallen sollte?« fragte Jojo nachdenklich.
Ich erwog diesen Gedanken: »Nein, das glaube ich nicht«, sagte ich, und nicht nur die Fairness gegenüber George bewog mich zu dieser Antwort. »Ich denke, daß er wohl damit umzugehen weiß. Er scheint aus einem anderen Holz geschnitzt als sein Vater und sein älterer Bruder. Er scheint nicht so leichtsinnig zu sein…«
»Also, mir kommt es als der Gipfel von Leichtsinn vor, dich in eine Verlobung zu drängen, die nichts anderes bezwecken soll, als einer alten Dame ihr Erbe herauszulocken«, stellte Jojo sarkastisch fest. Darauf wußte ich nichts zu erwidern. Wir blieben noch einige Zeit schweigend beisammenstehen, bis Jojo plötzlich die Stille unterbrach: »Willst du tanzen?« fragte er.
Ich machte mich überrascht frei: »Hier im Park?«
»Aber nein«, entgegnete er, »wie unpraktisch. Man tanzt doch gewöhnlich
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