Maskerade in Rampstade (German Edition)
schon warten lassen! Wie unachtsam von dem Diener!« rief ich aus. »Ja, George ist wirklich zurückgekommen.« »Dachte ich mir, dachte ich mir«, schnarrte die Stimme des Earl, »ich wollte nicht einfach in die Halle hinauslaufen, als die Kutsche vorgefahren war. Ich hoffe Sie verstehen. Es erschien mir unpassend.«
»Ja, natürlich«, antwortete ich und fragte mich, ob es wohl meine Pflicht war, dem Gast eine Erfrischung anzubieten. Ich entschied mich, nichts dergleichen zu tun. Denn schließlich war in Wahrheit ja ich der Gast. Auch wenn ich mich nach den langen Wochen, die ich schon hier verbrachte, fast wie zu Hause fühlte.
»Tja«, sagte ich unschlüssig. Ob es wohl die Höflichkeit erforderte, daß ich dem Earl so lange Gesellschaft leistete, bis George kam? Ich hätte es vorgezogen, mich verabschieden zu können.
Der Mann lächelte zwar freundlich, aber dennoch hatte ich das Gefühl, daß er mich nicht mochte. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Zeugten diese breiten Lippen nicht von Falschheit, und war da nicht Gier in seinen Augen, als er die wertvollen Gemälde studierte? Und weshalb hatte ich den merkwürdigen Eindruck, als fühlte sich der Earl nicht wohl in dieser Umgebung? Es schien, als sei er begierig, möglichst schnell das Weite suchen zu können.
Der Gast räusperte sich. Tief erschrocken stellte ich fest, daß ich ihn, ganz in Gedanken, unverhohlen gemustert hatte. Ich fuhr auf und versuchte ein gezwungenes Lächeln.
»Ist es zuviel verlangt, wenn ich Sie bitte, den guten, alten George holen zu lassen?« fragte er. »Der Diener scheint vergessen zu haben, ihn von meiner Anwesenheit zu unterrichten.«
Ich zögerte. Das Personal der Herzogin war bestens geschult. Es war nicht anzunehmen, daß einer der Diener tatsächlich einen Besucher anzumelden vergaß. Es schien mir viel wahrscheinlicher, daß George keine Lust gehabt hatte, seinen Vetter zum jetzigen Zeitpunkt zu sprechen. Vermutlich wollte erzuerst das unterschriebene Testament wohlverwahrt in den Händen des Notars wissen. Dann würde er den Triumph voll auskosten. Sicher würde er den Earl spüren lassen, welche Genugtuung es für ihn war, daß seine Großmutter ihn zum Haupterben eingesetzt hatte. Und nicht den älteren Cousin, den er immer bewundert und beneidet hatte. Was es wohl war, das George an seinem Vetter bewunderte? Es schien mir so gar nichts an diesem Mann zu sein, was es wert gewesen wäre, bewundert zu werden.
»Wenn ich also bitten dürfte«, unterbrach Seine Lordschaft mich ungeduldig. Seine Stimme hatte einen scharfen Tonfall angenommen. Für kurze Zeit verzichtete er auf sein schmieriges Lächeln.
»Ja, ja natürlich.« Ich eilte zur Klingelschnur, um nach einem Diener zu läuten.
In diesem Augenblick öffnete sich lautlos die Türe, und der würdige Buder trat ein. Ein Lakai, der ein Tablett mit Tee und eine Schale mit Gebäck trug, folgte ihm auf dem Fuße. Das Tablett wurde auf den Teetisch gestellt. Ich bemerkte, daß zwei Tassen gebracht worden waren. Also war meine Anwesenheit im Empfangssalon vom Butler nicht unbemerkt geblieben.
»Mr. Willowby meint, es würde noch etwas länger dauern, Sir«, teilte er nun, an den Gast gewandt, mit. »Er bittet Sie höflich, sich in Geduld zu fassen. Er wird sofort zu Ihnen kommen, sobald seine Pflichten es zulassen. Benötigen Sie noch etwas, Miss?«
Die letzten Worte waren an mich gerichtet.
»Nein, vielen Dank«, antwortete ich rasch, »es ist alles bestens.«
Der Buder und der Lakai verbeugten sich und verließen den Raum. Jetzt gab es keine andere Möglichkeit mehr. Ich mußte mich in das Unvermeidliche fügen und mit dem Earl Tee trinken.
»Bitte, nehmen Sie Platz!« forderte ich ihn auf.
Sein Blick gefiel mir nicht. Er schien darüber erzürnt, daß George ihn warten ließ. Doch er sagte kein Wort, nahm auf der Bank der Sitzgruppe Platz und setzte wieder sein Lächeln auf.Ich schenkte den Tee ein und reichte ihm eine Tasse. Langsam verrührte ich Milch und Zucker. Ich tat, als sei ich ganz in diese Tätigkeit vertieft, denn ich hatte keine Ahnung, worüber ich mich mit diesem Mann unterhalten sollte.
Er selbst war es schließlich, der das Gespräch begann, indem er mich fragte, ob ich tatsächlich aus Windsor stammte. Als ich entgegnete, daß das nicht der Fall sei, da ich aus Winchester käme, meinte er, daß das wirklich schade sei. In Windsor kenne er sich viel besser aus als in Winchester. Es schien, als habe er sich längere Zeit in Windsor aufgehalten,
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