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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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sie auf, wischte den Straßendreck weg und steckte sie sich wieder zwischen die Lippen.
    »Nein, trotzdem gehört der Wedding mir.«
    »Erst einmal gehört dir hier gar nichts«, versuchte ich ihn aus der Reserve zu locken.
    »Was?« Sein Mundwinkel zitterte, als könnte er sich kaum noch beherrschen.
    »Alles gehört Allah, und nichts gehört dir«, erläuterte ich besserwisserisch, und die zwei an seiner Seite nickten heftig.
    »Hör lieber zu, du scheiß Palästinenser – bevor ich dir nicht deine Hackfresse poliere. Wer gibt dir das Recht, nach Berlin zu kommen und anderen das Brot wegzunehmen?« Seine Kumpane nickten nicht mehr.
    »Wem nehme ich das Brot weg?« Ich verstand nicht, wovon er redete.
    »Den Berlinern, natürlich.«
    »Warum nehme ich den Berlinern etwas weg?« Ich zog einen Kaugummi aus der Packung und bot Hassans Hühnern auch einen an, damit sie sich außer Fingernägeln und dreckigen Zigaretten auch etwas anderes in den Mund stecken konnten. Der mit dem perversen Blick wollte gerade zugreifen, doch Hassan schlug ihm auf die Pfoten und herrschte ihn an: »Beherrsch dich, du gieriger Hund!« Der Zurechtgewiesene schaute betreten zu Boden und schmollte wie ein Kind, dem man den Lutscher weggenommen hatte. Ich beherrschte mich, nicht loszulachen, die ganze Szene hatte etwas Parodistisches.
    »Du landest mit einem Song über’n Wedding einen Hit, dabei kennst du den Wedding nicht. Du kommst aus einem Kaff und meinst, du könntest Deutschland etwas über den Wedding erzählen? Mach doch einen Song über – wo kommst du noch mal her – Sittensen?« Das Muttermalgesicht lachte, Hassan trat ihm auf die Füße, weil er keinen Witz gemacht hatte.
    »Wo kommst du eigentlich her?«, fragte ich in einem Versuch, das Blatt zu wenden.
    »Ich bin waschechter Berliner!« Hassan schlug sich auf die Brust. Die Hühner links und rechts nickten stolz.
    »Echt? Siehst aber aus wie ein Araber, wie ein richtiger Vollblutaraber.«
    »Ich bin Libanese.«
    »Was denn nun, Libanese oder Berliner?« Für einen flüchtigen Augenblick verloren sich Hassans Züge in den Fluten der Irritation, doch er fing sich schnell wieder und setzte einen ernsten Ausdruck auf.
    »Ich bin ein Berliner aus Libanon«, erklärte er, sichtlich erfreut, eine Antwort gefunden zu haben. Was er nicht wusste: Auf so etwas hatte ich nur gewartet.
    »Und ich bin ein Palästinenser aus Pirmasens, der jetzt im Wedding lebt und Musik für Deutschland macht. Wo liegt das Problem?« Die gesamte Diskussion kam mir lächerlich vor, ich war mit den Gedanken bereits im Studio. Warum unterhielt ich mich überhaupt mit diesen Idioten?
    »Das Problem ist, du bist kein Berliner und willst Berlin erobern. Du bist kein Berliner und machst dir die Taschen mit einem Song über Berlin voll.« Es war an der Zeit, diesem sinnlosen Gespräch ein Ende zu setzen.
    »Kennst du Che Guevara?«
    »Ja, natürlich, hältst du mich für einen Bergaraber?«, bellte Hassan, und das Muttermalgesicht prustete wieder los. »Halts Maul!«, brüllte dieses Mal der Linke.
    »Er war auch kein Kubaner und hat Kuba erobert.« Ich bahnte mir einen Weg durch die Mitte und durchbrach die Mauer. Hassan rief: »Wir sehen uns noch wieder«, doch ich hörte nicht mehr hin. Für so etwas fehlte mir wirklich die Zeit.
    Im Studio erzählte ich MC Basstard von dem Vorfall. Er nickte und meinte: »Das ist Berlin. Hier brauchst du einen guten Background, um Musik machen zu können, ansonsten wirst du dazu verknackt, Schutzgeld zu zahlen.«
    »Schutzgeld?«
    »Ja, Schutzgeld.«
    »Wofür soll ich Geld zahlen?«
    »Damit du in Ruhe gelassen wirst. Der Schwächere muss an die Stärkeren abdrücken. Die Nutte an den Zuhälter, der Zuhälter an die Puffbesitzer, der Junkie an den Dealer, der Restaurantbesitzer an den Geldeintreiber, der Rapper an die Großfamilien, der Bürger an den Staat – dem übrigens schlimmsten Geldeintreiber. Der Schwächere muss immer abdrücken, gewöhn dich lieber dran.«
    Drei Tage später klingelte mein Handy. Ich war überrascht, Sido in der Leitung zu haben. Er hatte mein Ghettolied gehört und wollte mich treffen. Zu diesem Zeitpunkt hatte jeder mein Ghettolied gehört, aber nur die wenigsten wussten, wer hinter dem Song steckte. Man musste schon ordentlich suchen, um Massiv zu finden, daher wunderte es mich umso mehr, dass mich dieser aufgespürt hatte. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte gleich, ob Sido Lust hätte, das Intro für das Video zu machen.
    Sido sagte

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