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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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mögen.« Ich zuckte mit den Schultern: »In der Schule mag mich auch niemand.« Der Psychologe schrieb wieder etwas in seinen Block, und ich zweifelte langsam daran, dass er mir wirklich helfen wollte.
    »Soso, hast du dir deshalb diesen Bart gemalt?«
    »Nein, das war ich nicht.«
    »War das dein Vater?«
    »Nein.« Ich gluckste bei der Vorstellung, wie Baba so einen Unfug machte.
    »Findest du das lustig?« »Ein bisschen.«
    »Magst du Juden?«
    »Ich kenne keinen Juden.« Ich zuckte wieder mit den Achseln, dieses Mal nickte der Mann energisch und schrieb ganz viel in seinen Block. Ein ausgestopfter Papagei stand auf dem Wandregal, ich wollte danach greifen, doch der Psychologe sagte, »Finger weg«. Ich nahm all meinen Mut zusammen und stellte endlich die Frage aller Fragen: »Was ist ein Rassist?«
    »Das sind sehr schlechte Menschen.« Diese Antwort machte mich rasend. »Zum Arsch mit schlechten Menschen!« Meine Güte, konnte mir denn keiner eine vernünftige Antwort geben? Ich stöhnte genervt und faltete meine Hände über dem Kopf zusammen.
    »Du fluchst ganz schön wüst für dein Alter. Wird bei euch zu Hause oft geflucht?«
    »Das kümmert Sie doch einen feuchten Furz!« Ich war außer mir. Erwachsene beantworteten nie Fragen, sie hörten nie zu, sie stellten Fragen, obwohl sie die Antworten schon kannten. Sie akzeptierten nur ihre eigenen Wahrheiten, auch wenn es sich dabei um Lügen handelte. Zum Arsch mit Erwachsenen! Ich war ganz aufgelöst – wenn mir nicht einmal ein Psychologe helfen konnte, wer dann?
    »Bist du ein Rassist?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich weiß nur, dass Sie ein verfluchter Idiot sind!« Dieses Mal brüllte ich. Der Mann runzelte die Stirn, sah mich verständnisvoll an, als sei ich gerade aus einer Irrenanstalt entsprungen.
    »Du bist sehr aufgebracht. Menschen können sehr wütend werden, wenn man sie mit der Wahrheit konfrontiert.«
    »Die Wahrheit will doch keiner hören!«
    »Soso, dann ist es also wahr, dass du ein Rassist bist – und das schon in diesem Alter.« Er schüttelte betroffen den Kopf. Am liebsten hätte ich ihm den ausgestopften Vogel an den Schädel geworfen. Es hatte keinen Sinn. Mit Erwachsenen zu reden, hatte einfach keinen Sinn. »Aber du kannst nichts dafür.«
    »Wofür?«
    »Dass du Juden hasst.« Ich kniff den Mund zusammen. Ich war ein Rassist, sah aus wie ein brauner Hitler, wegen mir nahm der Palästinakrieg kein Ende, und jetzt hasste ich auch noch Juden. Ich war anscheinend ein furchtbares Kind, doch keiner wollte mir helfen. Wie sollte ich aufhören, ein Rassist zu sein, wenn ich nicht wusste, was das war? Der Psychologe legte seinen Stift zur Seite und sagte mitfühlend: »Du kannst nichts dafür – deine Eltern sind eben Palästinenser.«
    In der Schule führten wir eine Mottowoche zum Thema Toleranz durch. Wir schauten Filme über die Unterdrückung der Schwarzen in Südafrika und bekamen Berichte über die Konzentrationslager vorgelesen und wie die Juden dort umgebracht worden waren. Ich lernte neue Wörter wie »Antisemitismus« oder »Menschenwürde«. Und am Ende der Woche erfuhr ich auch, was ein Rassist war: jemand der Menschen wegen einer anderen Hautfarbe, Religion oder Kultur verurteilte. Damit wusste ich endlich auch, dass ich kein Rassist war, denn außer Markus und Prügel hasste ich nichts und niemanden auf dieser Welt.
    Meine Mitschüler nannten mich Brauner, Horst meinte, alle Kopftuchtanten wären gleich, Mama meinte, alle Alkoholiker wären gleich, mein Schulpsychologe meinte, alle Palästinenser hassten Juden. Wer verurteilte hier wohl wen. Ich war vielleicht ein Kind, aber kein Hmar. Aber ich hatte noch etwas viel Wichtigeres gelernt. Eine ganze Klasse hatte gelacht, ein Lehrer war verrückt geworden, Baba hatte den Gürtel gezückt, Mama hatte mit mir geschimpft, ein Psychologe wurde gerufen und die Woche der Toleranz eingeführt – das alles wegen Markus und dem Stern. Meine Reime hatten viel bewegt. Wörter hatten anscheinend eine unglaubliche Macht, die man gut steuern musste.

KAPITEL 4
Von Opferfesten und Schafköpfen
Alle Menschen sind klug, die einen vorher, die anderen nachher; nur wenn es darauf ankommt, ist jeder dumm.
Arabische Weisheit
    Es war Ramadan. Baba erlaubte mir, einen Tag schulfrei zu nehmen. Ich blieb lieber zu Hause, anstatt in die Schule zu gehen – und wenn ich schon lieber zu Hause blieb, musste es in der Schule wirklich schlimm sein. Mama erzählte mir die Geschichte unseres

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