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Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
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Körper.« Er zeigte mit einer verzweifelten Geste auf meinen Kopf.
    »Fragt sich nur, von wem er diesen Ballonkopf geerbt hat«, entgegnete Mama in abfälligem Ton.
    »Schau dir nur diesen Schädel an. Bei der Größe müsste er klug wie Einstein und nicht dumm wie Brot sein.«
    »Jetzt lass den armen Jungen in Ruhe, er kann doch nichts für seinen großen Kopf!«
    Einmal fand ich Ursulas Haustür offen. Tony kam mir entgegen, ich hörte jemanden stöhnen, ich ging leise hinein. Ursulas Wohnung war abgedunkelt, ich konnte mich kaum bewegen, so zugemüllt war es dort. Tonys Napf war leer, die Wohnung war vollgeschissen – es herrschten erbärmliche Zustände. Alle Lichter waren aus, im Flur wippte ein Schaukelpferd hin und her. Ich bekam vor Ekel und Angst eine Gänsehaut. Ich betrat das Wohnzimmer. Ursula lag auf dem Sofa, ihr Arm hing herunter, die Innenseite war voller blauer Flecken. Sie machte mir Angst. Sie hatte einen leeren glasigen Blick.
    Sie atmete schwer, ich fragte, ob alles in Ordnung sei.
    »Meine Medizin«, stöhnte sie und zeigte auf die Kommode im Flur. Ein Gürtel und eine Spritze lagen dort. Ich brachte ihr die Medizin.
    »Komm her«, hauchte sie und erschlug mich beinahe mit ihrem Mundgeruch. Ich wollte nicht kommen. Aus ihrem Mundwinkel trat schneeweiße Spucke heraus, und ich fragte mich, ob sie Tollwut hatte. Ich wollte nicht, dass Ursula an Tollwut starb – was sollte dann aus Tony werden? Als ich Baba einmal fragte, ob Tony bei uns leben könne, schmiss er mit einer Latsche nach mir und meinte, er hätte schon einen Hund.
    Ich hockte mich vor Ursulas vergilbte Couch und folgte ihren Anweisungen. Erst band ich ihr den Gürtel um den Arm, dann reichte ich ihr die Medizin. Sie spritzte sie sich in die Venen. Ich schaute weg und fragte mich, wie schmerzvoll es sein musste, in all die blauen Flecken zu stechen. Dann fing sie an zu weinen, grüne Rotze lief ihr aus der Nase in den Mund. Ich ekelte mich vor Ursula. Tony tat mir leid, er musste mit einer Frau leben, der grüne Rotze in den Mund lief. Ursula heulte immer lauter, und einen Moment lang fragte ich mich, wer hier Hund und wer Mensch war. Sie zog über ihren Exmann her, diesen Sohn einer italienischen Hure, wie sie ihn nannte. Es sei alles seine Schuld. Er habe nie seinen italienischen Lümmel in der Hose behalten können, alles bestiegen, was nicht bei drei auf dem Baum war, und sie damit in den verfluchten Wahnsinn getrieben. Jetzt sei sie alleine, alleine mit diesem verdammten Köter, weil ihr Exmann, der Bastard einer sizilianischen Nutte, ihr nur diesen verdammten Köter hinterlassen hatte. Ich wurde wütend, weil sie Tony als verdammten Köter bezeichnet hatte. Ich wollte nicht, dass sie ihn so nannte. Tony sei ein Hund, sagte ich. Italienischer Bastard hin oder her, er sei kein verdammter Köter, sondern ein freundlicher Hund, und noch dazu mit einem Charakter, von dem viele Menschen nur träumen konnten.
    Daraufhin plärrte Ursula noch lauter, weil der blöde Köter im Gegensatz zu ihr einen echten Freund hatte. Sie machte mich wieder wütend, und ich pöbelte, es sei ja wohl kein Wunder, dass ihr Exmann seinen Lümmel nicht in der Hose behalten konnte – bei so einer Frau. Ursulas Gesicht wurde feuerrot, und ich ging ganz schnell, bevor sie mich noch biss und mit Tollwut ansteckte.
    Baba mochte Tony nicht. Er fand es unnatürlich, wenn Menschen Tiere zu Hause hielten. Seiner Meinung nach, und nur die zählte für ihn, gehörten Menschen in das Haus, Kühe in den Stall und Hunde irgendwohin, in den Wald vielleicht.
    »Wie würdest du es denn finden, wenn dich eine Kuh zwingen würde, in ihrem Stall zu leben?«, motzte Baba. Wenn Baba nicht zu Hause war, nahm ich Tony mit zu uns, schließlich war er mein Freund, und Freunde lud man zu sich ein. Einmal kam Baba früher als erwartet, und ich quetschte Tony in meinen Kleiderschrank, weil ich wusste, wenn Baba Tony finden würde, wäre sein Schicksal besiegelt. Ich setzte mich zu meinem Vater ins Wohnzimmer, um ihn im Auge zu behalten. Plötzlich hörte ich Tony jaulen, Baba schaute sich irritiert um. Ich versuchte, Tonys Laute nachzumachen.
    »Was machst du da?«, herrschte mich Baba an. Ich jaulte und winselte wie ein Hund.
    »Hör auf damit!« Ich heulte wie ein Wolf und hoffte, Tony würde endlich Ruhe geben. Baba warf mit der Fernbedienung nach mir.
    »Das kommt davon, wenn du den ganzen Tag mit diesem Köter rumläufst – du benimmst dich schon selbst wie einer!« Ich

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