Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Massiv: Solange mein Herz schlägt

Massiv: Solange mein Herz schlägt

Titel: Massiv: Solange mein Herz schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massiv mit Mariam Noori
Vom Netzwerk:
bedeckte den Boden wie ein ungepflegter Rasen, alte gemusterte Tapeten hingen von den Wänden herunter. Das Wohnzimmer war bunt wie eine Süßwarenabteilung. An den Wänden hingen kitschige Bilder mit leuchtenden Wasserfällen und bunten Kolibris, von Landschaften, Sonnenuntergängen und Oasen. Eine knallrote Kunstledercouch stand in der Mitte des Raumes und daneben eine Vitrine voller kleiner Kristallfigürchen. Auf dem Couchtisch standen Erdnüsse und türkisches Brot.
    Trotz der bunten Farben wirkte der Raum auf mich leblos, als hätte man eine graue Leiche mit einem farbenfrohen Tuch zugedeckt. Auf der Couch lungerten zwei Jungs herum, die keine Jugendlichen, sondern mindestens Anfang zwanzig waren. Yenge stellte mich ihren Söhnen Serkan und Ismail vor. Ismail, ein klein geratener, rundlicher Junge mit dunkelbraunen Locken, der ganz nach seiner Mutter kam, machte sich nicht die Mühe aufzublicken. Er nickte nur und folgte gebannt den Fernsehbildern. Serkan, der schlank und groß war, eine dunkle, erdige Haut und einen Schnauzer wie ein alter Mann hatte, trug einen hellblauen Pyjama mit weißen Wolken darauf, aus dem er schon vor Jahren herausgewachsen zu sein schien. Eine groteske Kombination, und Serkan wirkte wie ein Kind im Körper eines Erwachsenen. Er musterte mich und lächelte freundlich. Ich lächelte zurück. Ich fragte mich, mit wem ich hier spielen sollte, Yenges Söhne waren mindestens doppelt so alt wie ich. Ich fühlte mich nicht besonders wohl. Wie sollte ich es hier die nächsten sechs Wochen aushalten? Yenge meinte, ich solle mich zu ihren Söhnen setzen, also nahm ich am Ende der Couch Platz. Keiner sagte etwas, worüber ich sehr froh war, denn auf eine Unterhaltung hatte ich keine Lust. Irgendwann lehnte ich meinen Kopf zurück und nickte ein.
    Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, aber ich wachte auf, weil mir eine kalte Hand über den Nacken fuhr. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sich der schläfrige Schleier vor meinen Augen löste, und ich begriff, dass es Serkans Hand war. Erschrocken zuckte ich zusammen und setzte mich kerzengerade hin.
    »Keine Angst, Kleiner, ich bin ich es nur.« Er hatte etwas Abstoßendes an sich, und meine innere Stimme sagte, ich könne ihm nicht trauen. Aus seinem vernarbten, von jugendlicher Akne entstellten Gesicht schauten mich schwarze Augen an. Mir gefiel nicht, wie er mich ansah. Mir gefiel nicht, wie er »Kleiner« sagte.
    »Ich heiße Serkan, und wie ist dein Name?« Ich bemerkte, dass wir alleine waren.
    »Wasiem – wo sind die anderen?«
    »Wasiem, ein schöner Name, weißt du, was er bedeutet?« Er schaute mich verstohlen an, wie ein Dieb, der seine Beute fixiert.
    »Der Schöne«, stammelte ich abwesend und fragte mich, wo Ismail und Yenge steckten.
    »Der Schöne, ha! Wirklich passend, ein schöner Name für einen schönen Jungen.« Ich schaute beschämt auf den Boden, ich wollte nach Hause, doch ich musste höflich sein und bleiben, bis Mama mich abholte.
    »Keine Sorge, du kannst mir vertrauen.« Serkan lächelte mich an – und in diesem Moment kamen mir Mamas Worte in den Sinn: »Vertraue nie einem Fremden, der dir sagt, du könntest ihm vertrauen. Entweder hat er vor, dich zu entführen, oder, andere schlimme Dinge mit dir anzustellen.« Was meinte Mama wohl mit »andere schlimme Dinge«? Serkan setzte sich zu mir, ich rutschte auf meinem Platz hin und her. Ich sah seine schmutzigen Fingernägel und ekelte mich, weil er mich angefasst hatte. Aus heiterem Himmel fing er an mich zu kitzeln. Er kitzelte meinen Bauch, meine Fußsohlen und meinen Nacken. Ich wand mich wie ein eingefangener Fisch im Netz. Ich wollte nicht lachen, wollte nicht von Serkans schmutzigen Fingern angefasst werden, doch mein Körper hörte nicht auf mich. Ich drückte gegen meinen Bauch, unterdrückte den Lachkrampf, versuchte aufzustehen, doch mein Körper machte nicht mit. Ich kicherte so sehr, dass ich kaum noch Luft bekam. Ich war nicht mehr Herr über meinen eigenen Körper. Als Nächstes packte Serkan mich, als wäre ich ein Gegenstand, und setzte mich auf seinen Schoß.
    »Ruhig, Kleiner.« Er kam ganz nah und küsste meine Wange. Ich spürte seinen Atem auf meinem Hals. Mit aller Kraft rammte ich ihm meinen Ellbogen in die Brust, er krümmte sich und drückte mich fester auf seinen Schoß.
    Er kaute langsam an meinen Ohrläppchen herum und fuhr mir mit seiner spröden Zunge übers Gesicht. So ähnlich wie Tony, wenn er mich begrüßte, doch das hier

Weitere Kostenlose Bücher