Matharis Kinder (German Edition)
Hauses drang geräuschvolles Klappern von Geschirr. Ein köstlicher Duft von frisch gebackenem Brot und würziger Suppe verriet, dass die Person da drin eine Mahlzeit zubereitete.
Zögernd, als müsse der alte Mann seinen ganzen Mut zusammen nehmen, klopfte er an die Tür.
Die Geräusche im Innern des Hauses ver stummten.
Die drei Reisenden warteten.
Janael klopfte ein zweites Mal.
Noch immer Stille.
Schließlich näherten sich die Schritte einer Person, deren Füße in Holzpantinen steckten. Der Türspalt wurde ein wenig breiter, darin erschien ein rundes, misstrauisch blickendes Gesicht.
Es war eine Frau schwer bestimmbaren Alters. Ihre dunklen Augen, die glatte Haut und das glänzend schwarz e, straff zurückgekämmte Haar zeugten von Lebenskraft und einem starken Willen. Zwischen ihren Augenbrauen bildeten sich zwei scharfe, senkrechte Falten, als sie die unerwarteten Besucher von oben bis unten musterte. Nachdem sie die Prüfung beendet hatte, wurde ihr Blick freundlicher. Sie trat zur Seite und öffnete die Tür.
Janael jedoch blieb wie angewurzelt vor der Schwelle stehen.
„Marita? – Wo ist ... ich meine ...“ stammelte er, riss sich zusammen und rang sich schließlich einem einigermaßen zusammenhängenden Satz ab: „Ich, das heißt wir – nein, ich suche eine Frau, die Marita heißt, weißt du etwas über sie?“
Die Frau hob die Augenbrauen.
„Woher kommt ihr denn, dass ihr das nicht wisst?“ fragte sie verwundert, „meine Mutter ist doch schon seit zwei Jahren tot.“ Und nach einer Pause setzte sie hinzu: „Ich bin Punja, ihre Tochter.“
Der alte Mann wurde kreidebleich. Er hielt sich am Tür rahmen fest, als hätte ihn jemand in die Kniekehlen geschlagen.
Resolut griff die Frau nach seinem Arm.
„Kommt herein und setzt euch“, wies sie ihre Gäste an, während ihre besorgt prüfenden Augen auf Janael gerichtet blieben.
Der alte Mann hatte sich bereits wieder gefangen.
„Punja“, flüsterte er kaum hörbar, „natürlich – jetzt erkenne ich dich. Du warst damals doch ein kleines Mädchen, gerade mal zehn Jahre alt. Ach, das ist so lange, lange her. Ich habe dich gar nicht wiedererkannt... und ... und Marita ist also ... tot.“
Wie ein schwarzer Stein fiel das letzte Wort in den Raum.
Die Augen der Frau weiteten sich, suchten im Gesicht ihres Gastes nach vertrauten Spuren. Zunächst ohne Ergebnis. Dann schien aus den Tiefen ihrer Erinnerungen etwas aufzudämmern. Ganz nahe trat sie an den alten Mann heran. Ihre auffallend kleinen Hände hoben sich, blieben einen Augenblick in der Luft hängen, legten sich dann auf seine Brust.
„Aber ja, jetzt erkenne ich dich“, flüsterte sie, „du bist Janael, nicht wahr?“ Tastend glitten ihre Finger spitzen über den durch vieles Waschen weich gewordenen Stoff seines Hemdes.
Der alte Mann erstarrte. Dennoch er ließ die Frau gewähren. Was hätte er dagegen einwenden können, dass diese Hände auf ihre Spurensuche gingen? Hatten sie doch vor langer Zeit geholfen, jene furcht baren Wunden zu pflegen, mit denen er in dieses Haus gebracht worden war.
Wie hatten sie damals gezittert, diese Kinderhände! Auch jetzt zitterten sie, als sie die Wülste und Gräben unter dem dünnen Stoff erfühlten.
„Ja, du bist es wirklich“, flüsterte sie, „und du bist tatsächlich am Leben geblieben. Oh, wenn Mutter das noch erfahren hätte! Weißt du, sie hat nie aufgehört, von dir zu sprechen, bis zu ihrem Tod nicht. Aber ich verstehe nicht ... warum bist du nach all den Jahren zurückgekommen? Oder hast du das Land etwa gar nie verlassen?“
Janael schüttelte den Kopf.
„Das ist eine lange Geschichte, Punja. Und ich werde dir alles erzählen. Doch nun möchte ich dich zuerst um deine Gastfreundschaft für mich und meine beiden Freunde bitten. Wie du siehst, geht es einem von uns nicht besonders gut.“
Die Frau fuhr herum.
„O je, entschuldigt bitte!“ rief sie und begann sogleich hin und her zu laufen, um es den Gästen bequem zu machen.
„Setzt euch doch. Ich habe genug Suppe und Brot. Das reicht für uns alle.“
Und mit viel Geklapper deckte sie den Tisch für fünf Personen.
Janael betrachtete den fünften Teller. „Bist du verheiratet?“
Lächelnd schüttelte Punja den Kopf. „Nein, bin ich nicht. Dieser Teller ist für meine Tochter, Janis. Sie wird wohl bald nach Hause kommen. Jetzt ist sie noch draußen und sucht Heilpflanzen. Wir können kaum noch genug davon sammeln in der letzten Zeit.“
Die
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