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Mathilda Savitch - Roman

Mathilda Savitch - Roman

Titel: Mathilda Savitch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wäre schon so lange da, dass sie sie jetzt im Blut hätten. Traurigkeit hat nichts mit Logik zu tun. Die ist eher biologisch.
    Aber am wahrscheinlichsten sind die Terroristen böse, und wenn das der Fall ist, kann man nicht viel tun. Böse ist jenseits der Vernunft. Böse ist das Gegenteil von Gott, und auch wer nicht an Gott glaubt, muss an das Böse glauben.
    Manche Leute sagen, tötet sie. Na dann, viel Glück! Offensichtlich sind die Terroristen schlau, sie kennen sich aus mit guten Verstecken. Sie wissen, wie man in Höhlen lebt. Nach allem, was wir von ihnen wissen, könnten sie Genies sein. Vielleicht haben sie sogar die
Bhagavad Gita
gelesen. Ich frage mich, ob das in die Terroristensprache übersetzt ist. Und sprechen die überhaupt alle dieselbe Sprache? Wenn es Arabisch ist, sieht es aus wie mit Klauen geschrieben. Ich würde gern so schreiben können, das ist noch besser als Chinesisch.
    Was sie uns angetan haben, war ein großer Erfolg, und wer weiß, wann sie es wieder tun. Im Augenblick warten sie einfach. Sie haben viel Geduld, diese Leute. Genau wie der Mann auf dem Bahnsteig. Vielleicht hat er Helene jahrelang beobachtet, ehe er schließlich Hand an sie legte. Und jetzt muss man immer fürchten, wer ist der Nächste?
    Tötet sie, denke ich meistens. Aber manchmal weiß ich nicht so recht. Manchmal frage ich mich, ob die Terroristen nicht vielleicht doch traurig sind, weil wir ihnen etwas angetan haben. Nur, was haben wir ihnen getan? Ich weiß, an vielen Dingen bin ich schuld, aber nicht an
allem.
Der Mann mit dem Bart und den blauen Augen, der sich selbst erschossen hat, kommt mir oft in den Sinn. Ich weiß nicht, was er will.
    Helene hat einmal zu mir gesagt: «Sie töten unschuldige Menschen, Mathilda.» Und sie sprach nicht von Terroristen, sondern von uns. Sie meinte, wir seien die Mörder. Ihre Sicht der Dinge war manchmal sehr eigen. Als sie versuchte, mir dieses Zeug zu erklären, packte sie meine Hand und hielt sie ganz fest, wie Anna es tut, wenn wir Gruselfilme sehen. Helene war sehr dramatisch, aber sie war keine Lügnerin. Wenn sie gekonnt hätte, sie hätte zehn Terroristenbabys vom Fleck weg adoptiert. Sie empfand eine wahre Liebe zu den Unterdrückten.
    Mrs Frisk von der anderen Straßenseite ist genau das Gegenteil. Sie hat mindestens zehn Fahnen auf ihrem Rasen. Wenn Terroristen unsere Fahne im Wind flattern sehen, könnte ich mir vorstellen,dass es für sie das Gleiche ist wie das rote Tuch für einen Stier. Es muss sie zur Weißglut bringen. Am Ende stirbt jemand. Normalerweise ist es der Stier. Aber nicht immer. Manchmal stirbt der Torero. Manchmal stößt der Stier mit seinen Hörnern direkt durch ihn hindurch. Ich habe Bilder im Internet gesehen. Im Internet kann man sich sogar Stierkämpfe live ansehen. Aber ich rate es niemandem. Es ist viel schrecklicher, als man denkt.

Siebzehn
    Der Keller war ein Saustall, als ich dort aufzuräumen begann. Dicker Staub, der alles wie mit Samt bedeckte, und stapelweise Kisten auf dem Boden. Alter Kram, den wir nicht mehr brauchen, von dem wir uns aber aus irgendwelchen Gründen doch nicht trennen können. Bücher und Kleider und kaputtes Spielzeug. Auch von Helenes Sachen ist einiges hier unten. Dann eine Tischtennisplatte, ein halbes Fahrrad und ein paar altmodische Möbel. Zwei oder drei Kisten sind mit dem gefüllt, was Pa Memorabilien und Ma Schrott nennt.
    Bevor dieses Haus uns gehörte, war es das Haus von Pas Eltern. Ich kannte sie nicht, sie waren schon tot, als ich geboren wurde. Mein Großvater soll daran gestorben sein, dass er über einen Hund gefallen ist. Und als auch Pas Mutter starb, bekam er das Haus. Mein verrottetes Erbe, wie er es nennt, weil immer irgendwas auseinanderbricht. Aber wenigstens ist es in einer guten Gegend.
    Der Keller besteht hauptsächlich aus einem großen Raum, aber hinten gibt es noch einen kleineren. In dem kleinen befindet sich der Wasserboiler, außerdem steht dort ein Regal voller Gläser, hauptsächlich mit eingemachtem Obst, aber auch ein paar Gemüsesorten. Das Werk von Pas Mutter. Alles ist vollständig eingestaubt, und man kann nicht mal mehr entziffern, was auf den Etiketten steht, so verblichen ist die Schrift. Man erkennt recht gut, wo Pfirsiche drin sind oder Mais, aber einige Gläser stellen ein absolutes Geheimnis aus undefinierbaren Klumpen und Scheiben dar. Eines enthält etwas mit Samen, aber die Samen sehen aus wie Zähne. Sie erinnern mich an Babykrokodile.
    «Schmeiß sie

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