Mathilda Savitch - Roman
meint.
Ich sage Kevin, dass ich gern mal die A.S.N.F.-Musik hören würde.
«Nicht jetzt», sagt er. «Wenn du willst, kann ich dir ’ne CD brennen.
«Das wäre toll», sage ich. Ich ziehe meine Mütze ab, und mein Haar knistert elektrisch. Ich tue so, als habe gerade jemand den elektrischen Stuhl angeschaltet, aber Kevin kriegt den Witz nicht mit. Er macht wieder die böse Bibliothekarin. Nachdem ich meine Fassung wiedergewonnen habe, kann ich mich etwas entspannen. Manchmal holt es einen wirklich runter, einfach nur ein bisschen mit jemandem in seinem eigenen Alter zu reden.
«Was sagen deine Eltern zu den Haaren?», fragt Kevin.
«Sie mögen es», sage ich. «Sie finden es toll.»
«Na sicher», sagt er mit einem kleinen Lächeln.
«Früher habe ich immer geglaubt, mit Haaren könne man Leute töten», erzähle ich ihm.
«Voodoo», sagt er, und ich sage: «Genau.»
«Es stimmt», sagt er und erzählt mir von einer Sendung aus der Reihe
Rätsel und Geheimnisse
über Leute, die Ziegen töten. Dasseien keine Verrückten gewesen. Anscheinend hätten sie das Blut wirklich gebraucht, um einen bösen Fluch zu lösen.
«Weißt du schon, dass Annas Bruder nach Hause kommt?», frage ich.
«Das ist gut», sagt er.
Ich warte nur darauf, dass er weiter nach Anna fragt, aber er tut es nicht.
«Würdest du wirklich gehen?», sage ich. «Zur Armee?»
«Klar», sagt er. «Aber sie würden mich nie lassen.»
Ich frage ihn, ob seine Eltern Pazifisten sind.
«Nein», sagt er. «Aber sie sagen, darum kümmern sich schon andere.»
Ich frage mich, ob er die Armen meint.
Wieder fliegt ein Flugzeug vorbei. Diesmal näher. Ich frage Kevin, ob er sich an die Türme erinnert, als wir klein waren.
«Nicht so richtig», sagt er. «Aber ich habe den Film gesehen.»
Ich frage ihn, was er meint, ob sie über die letzte Bombe von vor ein paar Monaten auch einen Film machen werden?
«Auf jeden Fall», sagt er. «Das waren ja massenhaft Leute.»
«Wer wäre der Star?», frage ich. Aber wir können uns für keinen entscheiden. Der blauäugige Terrorist ist zu sehr er selbst, niemand könnte ihn spielen. Er ist das, was man unnachahmlich nennt. Ob Kevin auch Albträume von ihm hat?
«Hast du in letzter Zeit noch andere gute Filme gesehen?», frage ich, und er sagt Ja, einen habe er gut gefunden, den über die Stadt, die von Engeln eingenommen wird, nur dass dann herauskommt, dass es in Wirklichkeit Computerviren sind, die einen Wahn unter den Menschen verbreiten. Ich frage, wie die Engel aussehen, und er sagt, zuerst hätten sie wunderschöne weiße Federn, aber später würden sie schwarz und grün und eher wie Metall.
«War es Horror?»
«Ein bisschen», sagt er. «Manche Stellen.»
«Ich fürchte mich, nach Hause zu gehen», sage ich. Ich tue so, als wären es die Engel, die mir zu schaffen machen.
«Am Ende werden sie vernichtet», sagt er, «und alle wachen auf.»
«Macht es dir was aus, wenn ich mich unter die Decke lege?», sage ich. «Ich friere immer noch.»
Kevin sagt weder Ja noch Nein. Er dreht sich weg und füttert die Fische. Während er mir den Rücken kehrt, ziehe ich meinen Mantel aus und nehme die Tagesdecke runter. Die Bettwäsche ist einfarbig. Babyblau.
Kevin stellt das Fischfutter weg. «Ich sollte, ich glaube, ich sollte die Tür abschließen.»
«Hast du schon», sage ich.
Langsam kommt er dem Bett näher, er kann nicht anders. Er berührt meine Hand. «Auweia», sagt er. «Die ist aber wirklich kalt.»
«Meinst du, ich habe Fieber?», frage ich, und er legt die andere Hand auf meine Stirn. So bleiben wir lange.
«Ich glaube nicht», sagt er endlich.
Als er ins Bett klettert, rutsche ich etwas rüber. Zuerst liegen wir einfach beide auf dem Rücken, Seite an Seite. Dann rolle ich mich zu ihm hin und lege mein Gesicht an seinen Hals. Er riecht wie Buntstifte. Schließlich findet seine Hand zu meiner Brust, aber nur von außen, über Helenes Kleid. Er knetet sie nicht, sondern legt nur seine Handfläche darauf und drückt ein wenig. Als wollte er aufpassen, dass mein Herz nicht raushüpft. Oder wie die Ärzte in
Schussfeld
manchmal ihre Hand auf eine Wunde legen müssen.
Als ich Kevins Bauch berühre, macht er einen kleinen Laut wie ein Mädchen. Dann gibt es ein großes Fummeln und Wälzen, und als er schließlich die Spitze in mich schiebt, fühle ich sein Herz zwischenmeinen Beinen schlagen. Es ist, als hätte er sein Herz und nicht den Penis in mich gesteckt. Ich fange an zu weinen.
«Tut
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