Matrjoschka-Jagd
endlich viel Geld verdienen. Dummerweise zerstritten sich die beiden Freunde. Jeremias hatte nichts mehr, wogegen er ankämpfen konnte. Es gab den großen Bruder nicht mehr. Wie gesagt, Jeremias hatte eine schwache Konstitution. Er überlebte nicht lange.«
Sie suchte die Augen von Nore Brand. »Die Jahreszahlen kann ich Ihnen nicht sagen, aber Alfonso wollte nicht allein in Südamerika bleiben. Eines Tages verkaufte er die Bude und flog zurück nach Europa, in die Heimat, in dieses kleine, enge Spielzeugland voller Paragrafen«, lachte die Ballerina, »genau mit diesen Worten beschrieb er seine Heimat. Als ich ihn kennenlernte, erzählte er mir von seinem Leben. Er trank zu viel, aber er wollte noch etwas aus seinem Leben herausholen, wenn er das nicht getan hätte, wäre er durchgedreht. Hier halten es nur Spieler aus, Verrückte und krankhaft Ordentliche, das waren seine Worte. Also spielte er und gab sich als Jeremias Simmer aus.«
»Ja, er war ein Kunstfälscher und ein Hochstapler, aber ein herzensguter Mensch«, setzte sie nach einer Weile hinzu. Die Ballerina sprach angeregt weiter. Sie war in voller Fahrt, sie hielt den Schlussmonolog ihres Schauspiels, das zweifellos glücklich enden würde. Für sie natürlich. »Er trank zu viel. Eines Abends erzählte er mir seine Geschichte. Man hätte so leicht herausfinden können, dass er ein Kunstfälscher war, aber vermutlich wollte das keiner so genau wissen. Oh, wenn Sie wüssten, wie viele Richter und Staatsanwälte in ihren Villen Fälschungen hängen haben. Das ist ein blühendes Geschäft im internationalen Kunsthandel. Die größten Kenner werden dabei getäuscht. Oder lassen sich täuschen. Auch Fälscher sind Künstler, sie verstehen ihre Arbeit. Alfonso war technisch perfekt. Er hatte alles, nur die Inspiration fehlte ihm. Er wusste, dass er nie in der Lage sein würde, etwas Originelles oder Geniales zu schaffen. Er war zum Imitieren verdammt. Ja, er war einer, aber niemand hätte je herausfinden wollen, dass er ein Fälscher war. Die Richter nicht, die ihre Villen längst mit Simmers Gemälden geschmückt haben, und die Richter nicht, die dasselbe tun würden, wenn sie die Gelegenheit dazu hätten. Und nun ist er tot. Er wird nicht mehr bestraft werden können. Und ich, ich war Mitwisserin, zugegeben, aber nur für eine kurze Zeit. Soll ich deshalb hinter Schloss und Riegel? Wie könnte ich ihn getötet haben?«
Sie deutete auf ihre Beine. »Warum machen Sie sich nicht endlich an Ihre Arbeit? Gehen Sie und finden Sie seinen Mörder.«
Nore Brand stand mit verschränkten Armen an die Tür gelehnt. Was für ein Monolog.
»Ich möchte packen, bitte.« Die Ballerina fühlte sich sicher. Die Schauspielerin war in Hochform. Eine Meisterin der Ablenkung.
»Ich habe aber noch eine Frage, die Sie mir beantworten könnten. Warum hat er Frau Petrovic getötet?«
Die Ballerina erhob sich und ging auf ihren offenen Schrank zu. Leicht hinkend. Sie wollte weiterpacken. Sie wandte sich kurz um. »Warum fragen Sie mich das? Der Mann war unberechenbar, wenn er getrunken hatte. Ich kann doch nicht alles wissen.«
»Frau Matiowa, wer sind Sie wirklich?«
Die Ballerina drehte sich mit einem Ruck um.
»Sie haben kein Problem mit Ihren Knien. Sie waren nie am Bolschoi.«
Die Augen der Ballerina weiteten sich. »Was soll dieser Unsinn?«
»Es gibt und gab nie eine Ballerina mit Ihrem Namen. Weder am Bolschoi noch in ganz Russland. Nirgends. Auch Sie sind eine Hochstaplerin.«
Dann lief ab, was Nore Brand so oft erlebt hatte. Auf dem Gesicht der Überführten ging diese erstaunliche Änderung vor sich. Maske legte sich über Maske, einige fielen weg, tauchten gleich wieder auf, blieben weg. Ein seltsames und mittlerweile vertrautes Wechselspiel. Spannend blieb immer, welches der vielen Gesichter übrig blieb. Hier, in diesem Fall blieb schließlich ein hartes, aber zumindest unverstelltes Gesicht.
»Ich könnte nun mit Simmers Worten sprechen: Sind Sie eine von den Verrückten oder eine von den krankhaft Ordentlichen? Wollen Sie mich deswegen verhaften?«
Nore Brand schwieg.
»Und was legen Sie mir zur Last, außer dass ich mir einen Künstlernamen zugelegt habe?« Ihr Gesicht glühte.
»Sie sind eine dreifache Mörderin. Sie haben Frau Ehrsam getötet, weil Sie fürchteten, dass diese ihr Testament ändern könnte. Sie hatte Ihnen einen großen Betrag versprochen, für Ihr Waisenhaus. Von Jelena Petrovic wusste sie, dass Sie keine Russin sein können, weil sie
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