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Matterhorn

Matterhorn

Titel: Matterhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Marlantes
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tiefer Benommenheit voran, während sie von den Bergen in ein Tal abstieg. Die Luft drückte auf sie wie ein Handtuch in einem Dampfbad. Hände brannten vom Abseilen an den Steilwänden. Williams’ Leiche zersetzte sich schneller, während sie in wärmere Luftschichten abstiegen, und aus dem Poncho tropfte bereits etwas Flüssigkeit. Die Haut an den Händen hatte begonnen, sich abzuschälen. Williams’ Füße waren in den Stiefeln angeschwollen. Er stank. Fliegen quälten die Männer, die ihn trugen.
    Der Zustand von Hippys Füßen verschlimmerte sich. Er nahm die Schnürsenkel ab, um der Schwellung Raum zu geben. Er sah aus wie ein Schlafwandler. Er murmelte unentwegt vor sich hin: »Kannst du diesen Schritt jetzt machen?«, und machte ihn dann. Er wiederholte diese Prozedur Stunde um Stunde, ein von verkrüppelten Füßen getragener Geist.
    Mellas fühlte sich, als wäre er am Ersticken. Ihm war übel, aber es gab nichts, was er hätte erbrechen können. Seine Kleider klebten an ihm wie Frischhaltefolie. Da das Elektrolytgleichgewicht bei allen gestört war, machte er sich Sorgen wegen Hitzeerschöpfung.
    Sie erreichten den Talgrund, wo ein Wildwasserbach den Dschungelboden bis auf den nackten Fels durchschnitt. Mellas beschloss, sich im Wasser weiterzubewegen. Geschwindigkeit war jetzt alles. Colonel Simpson hatte Fitch in den vergangenen Tagen alle halbe Stunde über Funk gerufen und ihm gesagt, es sei »unbedingt erforderlich«, dass die Kompanie Kontrollpunkt Echo um 1200 erreichte. Die Worte wiederholten sich immerzu in Mellas’ Kopf, wie ein Song, der einem nicht mehr aus dem Ohr geht. Es ist unbedingt erforderlich, dass Sie Kontrollpunkt Echo um 1200 erreichen. Die Sicherheit wurde laxer gehandhabt. Vielleicht waren sie in Schwierigkeiten und konnten es über Funk nicht sagen. Sie schwenkten in östliche Richtung, manchmal brusttief im rasch fließenden Wasser. Ihre Penisse schrumpften zu kleinen Knöpfen, und ihre Hodensäcke zogen die Hoden tief in ihre Leiber. Vom Hochhalten der Waffen wurden ihnen die Arme müde.
    Fitch wies Relsnik an, nicht mehr zu antworten. Zu senden brauchte viel mehr Saft als zu empfangen. Tatsächlich gab es in der ganzen Kompanie nur noch wenige Batterien, mit denen sie überhaupt eine andere Einheit erreichten könnten, falls sie in die Scheiße gerieten.
    Mellas gab jede Absicherung auf. Er holte die Flankengänger herein, die sich zu beiden Seiten des Bachs durch den Dschungel bewegten, und führte die Kompanie geradewegs stromabwärts, Vancouver vorneweg, er selbst dahinter.
    Ab und zu stürzte jemand. Dann sog die Strömung den Betreffenden unter Wasser, sein schweres Marschgepäck und die Waffe zogen ihn nach unten, bis jemand bei ihm war und ihm wieder auf die Füße helfen konnte. Einmal war es Pollini. Mellas schaute zufällig gerade nach hinten auf die Marschkolonne und sah, wie Pollini Cortells ausgestreckte Hand verfehlte und rückwärts in den Fluss fiel. Er sah einfach zu, benommen wie alle anderen. Dann warf er sein Marschgepäck aufs Ufer, fing an, in die Flussmitte hinauszuwaten, packte Hamiltons Hand und befahl mit lauter Stimme, eine Menschenkette zu bilden. Aber sie bewegten sich nicht schnell genug. Pollini rauschte auf der Innenbahn an ihnen vorbei wie ein Expresszug. Mellas sah ihn genau in der Mitte, wo das Wasser tief und schnell war, wieder auftauchen und stromabwärts wirbeln. Er knallte mit dem Helm gegen Steine, was seinen Schädel vermutlich davor bewahrte, zu Bruch zu gehen. Mellas sah ihn zum vermeintlich letzten Mal untergehen, aber Pollini knallte gegen einen großen Felsen, der ihn ins seichtere Wasser abtreiben ließ.
    Pollini lag einfach nur da. Er war zu weit weg, als dass Mellas hätte sagen können, ob er noch atmete. Die Männer, die versucht hatten, ihn mit der Menschenkette zu erreichen, kehrten erschöpft um. Niemand wollte so weit gehen, um ihn zu holen. Mellas erwog müßig, ihn zu erschießen, damit sie auch sicher wussten, dass er tot war. Dann rührte sich Pollini. Er hob sich auf Hände und Knie und verharrte lange in dieser Position, atmete deutlich sichtbar, während das Wasser ihm unter der Brust hindurchfloss. Dann rappelte er sich hoch, grinste und winkte.
    Hamilton hob ein imaginäres Glas und sagte: »Auf dich, Shortround.«
    Pollini rückte sein Marschgepäck auf dem Rücken zurecht und kam grinsend und platschend zur Marschkolonne zurück. Mellas dachte bei sich: »Scheiße, Shortround, du bist ein guter Mann.«
    Der

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