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Matzbachs Nabel

Matzbachs Nabel

Titel: Matzbachs Nabel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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aufräumen kann man später. – Die rote Kiste da, die hatte er für sich vorgesehen. Ich weiß nicht, wann wir ihn begraben, aber das, was daran noch zu machen ist, kann auch noch warten.«
    Matzbach hatte den Joghurt verspeist und steckte den abgeleckten Löffel hinter sein linkes Ohr. »Gibt’s denn um diese Tageszeit hier im Dorf was zu essen?«
    »Sollen wir nicht rüber in die Villa?«
    Matzbach zögerte. »Na ja. Ach, warum nicht? Irgendwie war mir nicht danach, später wieder den ganzen Weg zu latschen, aber vielleicht sind ja nachher, wenn’s ans Verbuddeln von Osiris geht, wieder ein paar Autos da.«

20. Kapitel
    Bergner war wieder da. Es gab keine Gelegenheit zu längeren Reden, nur den Hinweis auf eine im Keller verstaute Blechkiste und die Rückgabe von Restgeld, von der Matzbach nichts wissen wollte. Bergner wehrte sich eher symbolisch und steckte die Scheine ein.
    Gegen halb acht brachen sie mit zwei Wagen auf; Daniela hatte aus gegebenem Anlaß ihren rostigen Golf angeworfen. Eugenie und Yü fuhren mit ihr, Jorinde und Bergner mit Baltasar. Jorinde war tief verschleiert und trug Handschuhe. Matzbach ahnte einiges, schwieg aber; Bergner – wie Matzbach in Normalklamotten – gab das Fragen bald auf, da die Hexe nicht antwortete oder bestenfalls auswich.
    Neben Bergner stand auf dem Rücksitz eine bedeutendes Ensemble: ein Korb mit Brot, Salz, einer Flasche Rotwein, einer Flasche Weißwein und drei Flaschen Glendronach, alles aus den nachgelassenen Beständen des Verblichenen; daneben, die Öffnung nach oben, ein polierter Stahlhelm, den Osiris K im Zweiten Weltkrieg getragen und nie abgegeben hatte.
    Genenger und seine bezahlten Helfer hatten halbwegs aufgeräumt; die schlimmsten Trümmer waren beseitigt, Namensplatten, Votivschilder und andere Artikel des spezifischen Ahnenkults gereinigt und wieder aufgestellt, die Wege begehbar und von großen Fackeln gesäumt, die man bei Sonnenuntergang anzünden würde; und sie hatten ein großes Loch gebuddelt, vor dem Charons Kanu mit aufgebocktem Sarg stand. Draußen an der Mauer lehnte zwischen Büschen ein Moped.
    Das halbe Dorf war anwesend, einschließlich des alten katholischen Pfarrers, der in hellen Gewändern wie zu einer Auferstehungsmesse erschienen war und während der kurzen Zeremoniedie qualmende Pfeife nicht aus dem Mund nahm. Genenger sprach ein paar abgezirkelte Worte, Dittmer drückte die »Betroffenheit« der Gemeindeverwaltung über den Heimgang des lokalen Poeten aus; Matzbach entkorkte den Weißwein, den Rotwein und eine Flasche Whisky und goß alles zusammen in den von Bergner hingehaltenen Stahlhelm. Dabei hielt er Ausschau nach einem langen, hageren Mann, der zuerst in der Nähe des Grabs gestanden und sich mit einem Schluck aus dem Flachmann gefestigt hatte und dann verschwunden war, als das Wohnmobil vorfuhr und Elvira sowie Dittmer ausstiegen. Als Eugenie einen dicken Strauß Chrysanthemen vom Boden nahm, glaubte Matzbach, schräg hinter ihr, zwischen der Friedhofsmauer und einer Taxusreihe, etwas blinken zu sehen – vielleicht der letzte Sonnenstrahl auf dem Flachmann des Langen Dünnen Mit Dem Nadelstreifen und mit einer schauderhaft kompliziert gebundenen Krawatte.
    Der Pfarrer nahm die Pfeife aus dem Mund, schnüffelte am Stahlhelm und nickte. »Riecht wie sein Lieblingsbesäufnis«, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen. Er hängte die Pfeife wieder in den Mundwinkel, schlug das Kreuz über dem Helm oder der darin ausdünstenden Flüssigkeit, tauchte seinen Weihwedel hinein und besprengte den Sarg, den Genenger und seine Assis abgelassen hatten.
    »
De profundis
«, knurrte Genenger.
    »
Morpionibus
«, sagte Matzbach laut.
    Genenger warf ihm einen schrägen Blick zu; Jorinde gluckste unter ihrem Schleier, und der Pfarrer verzog den Mund zu einer Art schäbigen Lächelns, bei der es Matzbach warm ums Herz wurde.
    Genenger schnipste und deutete auf den Korb; Baltasar bückte sich, hob ihn auf und hielt ihn hin. Der Bestatter nahm das Brot, brach es und warf es auf den Sarg.
    »Fahr dahin«, sagte er.
    »Amen«, sagte der Pfarrer. Einige der Umstehenden murmelten etwas, das so ähnlich klang.
    Genenger öffnete das Salzsäckchen, ließ ein wenig in seine Hand rieseln, streute es über den Sarg und warf dann das Säckchen hinunter.
    »Fahr dahin.«
    »Amen«. Diesmal sagten es alle, und es klang überzeugend.
    Genenger schnipste wieder; Bergner reichte ihm den Stahlhelm. Genenger hob ihn an die Lippen, nahm einen Schluck,

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