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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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gab. Mir war keins bekannt, nicht mal in unserer internationalen Messestadt Leipzig. Die DDR war auf sich reduziert, auf den Warschauer Pakt, Europa existierte zwar als Kontinent, aber wir hatten eigentlich nichts mehr damit zu tun.
    Ein Besuch in den internationalen Studentenklubs in Warschau hätte unseren Funktionären wohl den ideologischen Angstschweiß auf die fortschrittliche Stirn getrieben. Im »Hybrydy«, im »Stodoła« saß tatsächlich Europa beisammen, und fast die Hälfte kam aus dem anderen Teil Deutschlands.
    N.R.D. traf N.R.F.

Kraków
    Als ich ein andermal mit meinem Freund Crassus (den Spitznamen hatte er bekommen, weil er im Gesicht und in der Statur einem römischen Legionär ähnelte) nach Polen aufgebrochen war, trafen wir im Zug B., einen Zwickauer Bekannten, einen großen Kunstsammler und -kenner. Er war mit einer katholischen Jugendgruppe unterwegs. Durch seine Vermittlung kamen wir – zu unserer großen Freude auch noch kostenlos – in einem Nonnenkloster unter. Dazu gehörte eine Schule, und in einem der Klassenräume schliefen wir. Für unseren Geldbeutel war das sehr erfreulich, für unser Nachtleben nicht, denn wir mußten 22.00 Uhr im Haus sein. Und das ist in diesem Alter noch sehr früh!
    Deshalb beschlossen Crassus und ich, eine Nacht einmal ordentlich durchzusumpfen; die Studentenklubs mit den vielen schönen Mädchen machten uns mächtig unruhig. Wir sagten also nach einigen Tagen im Kloster, wir wollten einen Ausflug unternehmen und kämen am nächsten Tag zurück. Wir stopften einen Beutel mit Papier aus, daß es schien, wir hätten wirklich das Nötigste für eine Nacht mit, verabschiedeten uns brav an der Pforte von der Schwester, und so stand dem Genuß des Krakauer Nachtlebens nichts mehr im Wege. Nach dem Besuch eines Stundentenklubs versuchten wir, noch in der Bar des Hotels Cracovia zu landen. First class! 100 Złoty Eintritt! Unerschwinglich!
    Fassungslos nahmen wir im Foyer Platz. Was nun? Ins Kloster konnten wir um diese Zeit nicht mehr zurück … Der Türsteher kam uns entgegen: »50 Złoty.«
    Für uns immer noch viel zuviel. Wir sagten ihm, daß wir doch in der Bar nur einen Schnaps trinken wollten. Schließlich drückten wir uns so lange im Foyer herum, bisder Mann meinte: »Na los – einen Schnaps trinken!« Wir freuten uns, stürmten in die Bar, in der ein Wahnsinnstrubel herrschte. Auch viele westdeutsche Touristen und Geschäftsleute feierten hier. Es war für uns alles sündhaft teuer, wir besahen uns schöne Damen, die vermutlich intensiv freischaffend der Sünde zugetan waren und einen ebensolchen Preis hatten. Dann tranken wir den Schnaps und machten uns nach einiger Zeit wieder auf unsere Ostsocken.
    Nun mußten wir in die Rolle von Pennern schlüpfen, um pennen zu können. Wir schlugen uns die restliche Nacht auf einer Parkbank um die Ohren und schliefen irgendwann tatsächlich ein; ich erinnere mich noch, wie mich Sonnenstrahlen und fröhliches Vogelgezwitscher weckten. So fröhlich war uns allerdings nicht zumute. Wir erwachten ziemlich zerschlagen und beschlossen, um die schönen Abende in den Studentenklubs ausgeruht genießen zu können, doch ein Zimmer zu mieten.
    Es gab in der Krakauer Innenstadt eine Stelle, so hatten wir erfahren, an der Frauen standen, die nicht etwa sich, sondern lediglich ein Privatquartier anboten. Natürlich illegal, aber geduldet. Polen war in vielerlei Hinsicht weit von der DDR entfernt. Wir folgten einer Frau mit unserem Gepäck, liefen und liefen, warfen einen Blick in das Zimmer und liefen entsetzt an den Ausgangspunkt zurück.
    Das Zimmer war eine einzige Hornsje!
    Nun unternahmen wir einen zweiten Versuch. Müde, fast schon apathisch, stapften wir der nächsten Frau hinterher.
    Das Zimmer war in Ordnung. Wir erfrischten uns im Bad und wollten dann schlafen, aber das liebe Kind des Hauses trampelte inzwischen auf unseren Schuhen herum und schleppte unsere eingekauften Brezeln weg. Es tauchte unentwegt wieder auf, so daß wir keine Chance für eine Ruhepause hatten. Die Frau konnte nicht ahnen, daß wir am hellerlichten Tage nichts sehnlicher wünschten, als zu schlafen. Sie sprach kein Wort deutsch. Mit dem Wörterbuchklärten wir dann die Schlüsselfrage. Unsere Vermieterin händigte uns einen Schlüssel zur Wohnung aus. Wir fragten pantomimisch nach dem für die Haustür. Sie schaffte es schließlich, uns in der gleichen Kleinstkunstform klarzumachen, daß wir für diese Tür keinen Schlüssel brauchten. Die

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