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Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Titel: Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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war mehr oder weniger kahl. Es war ganz eindeutig niemand drin.
    »Du kommst jedes Wochenende her und besuchst deine Oma, nicht wahr?« sagte die Schwester und legte die Wäsche auf dem Bett ab. »Das ist nett von dir, daß du sie immer besuchen kommst.«
    »Hmm. Ja.«
    »Was wolltest du hier?«
    »Äh, ich dachte, ich könnte… wissen Sie… mal reinschauen und mit Mr. Atkins reden.« Ihm kam eine Idee. »Wir machen in der Schule so ein Projekt. Über die Kameraden von Blackbury.«
    Ein Projekt! Wenn man so tat, als würde man an einem Projekt arbeiten, konnte man praktisch mit allem durchkommen.
    »Wer waren denn die?«
    »Oh… ein paar Soldaten. Mr. Atkins war einer von ihnen, glaube ich. Äh… wo…?«
    »Nun, er ist gestern von uns gegangen. Fast siebenundneunzig Jahre alt war er. Kanntest du ihn?«
    »Nein… nicht wirklich.«
    »Er war schon seit Ewigkeiten hier. Ein netter alter Mann. Er sagte immer, wenn er mal sterben würde, dann wäre der Krieg zu Ende. Das war sein Witz. Er zeigte uns immer sein altes Soldbuch. ›Tommy Atkins‹, sagte er dann. ›Das bin ich, ich bin der letzte, und wenn ich fort bin, ist alles vorbei.‹ Darüber mußte er immer lachen.«
    »Was meinte er damit?«
    »Keine Ahnung. Ich habe immer nur gelächelt. Du weißt ja, wie das ist.«
    Die Schwester strich die neuen Laken glatt und zog einen Karton unter dem Bett hervor.
    »Das gehörte ihm«, sagte sie. Sie sah ihn forschend an. »Es stört wohl keinen, wenn du es dir ansiehst. Niemand hat ihn je besucht, außer einem Mann vom Veteranenverband, der regelmäßig wie ein Uhrwerk jedes Jahr zu Weihnachten aufgetaucht ist, Gott segne sie. Sie wollen seine Orden haben, weißt du. Aber es macht wohl nichts, wenn du mal einen Blick darauf wirfst. Wenn es für ein Projekt ist.«
    Johnny spähte in die Schachtel, während die Schwester im Zimmer herumhantierte.
    In der Schachtel lagen ein paar Kleinigkeiten – eine Pfeife, eine Tabakbüchse, ein riesiges altes Taschenmesser. Außerdem gab es noch ein Notizbuch, voll mit altmodischen Postkarten mit Blumen und Kohlfeldern und affektierten französischen Damen in Kleidern, die man früher wohl für sehr gewagt gehalten hatte. Vergilbte Zeitungsausschnitte steckten zwischen den Seiten. Und dann gab es noch eine kleine hölzerne, mit Toilettenpapier ausgelegte Schachtel, in der mehrere Orden lagen. Und ein Foto von den Kameraden von Blackbury, genau wie das in der alten Zeitung.
    Johnny nahm es vorsichtig heraus und drehte es um. Es knisterte.
    Jemand hatte vor langer, langer Zeit darauf geschrieben:
Alte Kamer
a
den!!! Wir sind richtige Kerle, Kaiser Willi! Jetzt kannst Du einpacken!!!
Und darunter waren dreißig Unterschriften.
    Neben neunundzwanzig davon hatte jemand mit einem Bleistift kleine Kreuze gemalt.
    »Sie haben alle unterschrieben«, sagte er leise. »Er muß sich von der Zeitung einen Abzug geholt haben, und dann haben alle unterschrieben.«
    »Was hast du gesagt, mein Kleiner?«
    »Dieses Foto.«
    »O ja. Er hat es mir oft gezeigt. Das war er, im Krieg, weißt du.«
    Johnny drehte es noch einmal um und fand Atkins, T. Er sah ein bißchen wie Bigmac aus, mit Henkelohren und einem Topfschnitt. Er grinste. Alle taten das. Alle hatten dasselbe Grinsen aufgesetzt.
    »Er hat oft darüber geredet«, sagte die Schwester.
    »Ja.«
    »Am Montag wird er eingeäschert. Eine von uns geht immer hin, weißt du. Das muß man einfach. Es gehört sich nun mal so.«
     
    Samstag nacht hatte er einen Traum…
    Er träumte von Rod Serling, der die Blackbury High Street entlanglief, aber sobald er versuchte, vor der Kamera Eindruck zu schinden, schauten ihm Bigmac, Yo-less und Wobbler über die Schulter und sagen so was wie, »Was steht denn in diesem Buch?« und »Blätter mal um, ich hab diesen Teil schon gelesen«.
    Er träumte von Daumen…
    Und wachte auf und starrte an die Decke. Er hatte die Fäden, die das Plastikmodel des Spaceshuttles in der Luft hielten, immer noch nicht ersetzt. Es hing in einer Art Dauersturzflug.
    Er war ziemlich sicher, daß andere Kids nicht so lebten wie er. Es passierte immer wieder. Jedesmal, wenn er dachte, er hätte die Welt im Griff und verstünde, wie alles funktioniert, passierte was Neues, und alles, an das er bisher geglaubt hatte, entpuppte sich wieder mal als eine Art Scherz.
    Sein Opa hatte was von einer seltsamen Nachricht gemurmelt, als Johnny nach Hause gekommen war. Soweit er verstehen konnte, hatte Wobbler oder sonst jemand angerufen und

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