Mayabrut (German Edition)
genüge es, den Metallknopf in der Mitte zu bedienen, und der Thron würde allein den Weg zur Suite seines Gastes finden. Zweimaliges Drücken würde den Gast wieder zurück an diese Tafel befördern. Danach verwies er noch auf das unter der linken Lehne verborgene Funktelefon. Damit könnten sie jetzt ihre Angehörigen einmalig kontaktieren, dann würden die Geräte abgeschaltet. Er wünsche allen viel Erfolg und erwarte seine Gäste in spätesten einer Stunde zum Dinner zurück.
Cara drückte den Knopf und sein Hightech-Thron sauste los, gefolgt von Jeffs, Toris und Celias Gefährten, während die beiden grauhaarigen Herren verharrten. In weniger als einer Minute erreichte er seine Suite und meldete sich bei Juan. Er instruierte seinen Bruder nochmals, wie er den Verkauf der Mine abwickeln sollte, und verabschiedete sich für einen Monat von ihm. Er sank in sich zusammen. Diese gottverdammte Mine fraß all sein Glück, tötete seine Arbeiter und schiss dafür Smaragde aus. Es war genug, der Albtraum musste ein Ende haben! Er straffte sich und drückte auf den Metallknopf, worauf sein Gefährt zurückeilte. Die anderen warteten schon auf ihn. Als er seinen Platz eingenommen hatte, räusperte Sutin sich kurz und sagte: „Hiermit wünsche ich Ihnen einen angenehmen Abend und hoffe, dass Ihnen meine kulinarischen Präsente munden werden.“
Alle schauten verwundert auf die leere Tafel, doch plötzlich öffnete sich die Tischmitte wie eine Irisblende. Ein goldenes Tablett, das einem fliegenden Teppich ähnelte, stieg aus dem Dunkel. Ein Champagnerkelch funkelte verführerisch im Licht, und auf einem Teller in Form einer Jakobsmuschel hatte man aus den schmackhaftesten Meerestieren ein buntes Korallenriff kreiert. Der goldene Teppich glitt lautlos auf die verblüffte Tori zu. Ebenso erging es den anderen Gästen. Der unsichtbare Kellner servierte jedem ein delikates Mosaik von Speisen.
Sutins Tischlein deck dich servierte immer neue Raffinessen. Wie von Geisterhand geführt, verteilten sich die Getränke und Speisen, aber auch silberne Leuchter und Rosenbuketts auf dem Holzrondell. Am Ende f uhren aus der Mitte drei Säulen empor, die etwa einen halben Meter voneinander entfernt waren. Dann sprudelte zwischen ihnen eine schwarze Fontäne empor. Erstaunt beobachtete Cara, wie sich daraus ein amöbenartiges Gebilde formte, das frei in der Luft schwebte und rhythmisch zu zucken begann. Fragend blickte er zu Sutin. Der hatte wohl seinen Blick bemerkt und erklärte lässig, dass dies eine Ferro Fluid Installation einer japanischen Künstlerin sei, die mittels Elektromagneten gesteuert werde.
Auch für ihn als seinen künftigen Expeditionsleiter, hatte sich der Russe etwas Besonderes einfallen lassen. Ein Teller füllendes Schnitzel, das man als Mayaglyphe drapiert hatte, strahlte ihn goldbraun an. Auf einem zweiten Teller stapelten sich in mitten eines Sees von Sauce hollandaise Spargelstangen zu einer Pyramide auf.
Erinnerungen an seinen Besuch in Deutschland flackerten auf. Ein Dresdener Juwelier hatte ihn zur Weihnachtszeit in seine Heimatstadt eingeladen. Überall hatte Schnee gelegen. Zuerst hatte ihn sein Gastgeber über den Striezel-Markt geführt. Die Weihnachtslieder, die bunten Stände mit ihren Schnitzereien, Christbaumkugeln und dieser verlockende Duftmix aus Gegrilltem und Gebackenen hatten ihn gerührt. Trotz des Trubels hatte seine Seele ein wärmendes Gefühl von Stille und Frieden gestreichelt. Verbittert hatte er an die endlosen Gewaltorgien in seiner Heimat gedacht. Er beneidete diese Deutschen immer noch um ihr kleines weihnachtliches Himmelreich.
Auch die deutsche Küche hatte er in dieser Nacht schätzen gelernt, denn sein Gastgeber hatte ihn zum Schnitzelessen eingeladen. Oh, war das lecker gewesen, diese würzige Schicht auf dem saftigen Fleisch.
Aber woher wusste der Russe von seinem Lieblingsgericht, war dieses Maya-Schnitzel eher ein Zufall oder kannte Sutin die Details seines Dresdener Besuchs, und wenn ja, woher?
Denn als krönenden Abschluss des Abends hatte der Deutsche für ihn noch eine private Besichtigung des Dresdener Codex organisiert. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie er damals seinem Gastgeber aus reiner Höflichkeit gefolgt war. Als er aber diese uralten farbigen Malereien zum Greifen nah vor sich gesehen hatte, passierte etwas Seltsames. Er hatte wie hypnotisiert auf die fremden Schriftzeichen gestarrt, so lange, bis seine Augen tränten und sein Blick
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