Mayabrut (German Edition)
verschwamm. Er hatte in sich einen unbändigen Drang gefühlt, diese Mayaschrift zu berühren, zu besitzen. Dann hatte er zu zittern begonnen, Schweiß war ihm an der Stirn hinabgeronnen. Er, der Herrscher der Smaragde, hatte auf einmal gefühlt, dass sein ganzes Leben, all seine Edelsteine -, dass dies alles nichtig und klein war. Dieser bunte Papierteppich vor ihm, eine der vier weltweit noch verbliebenen Mayaschriften, dies war ein wahrer Schatz. Und in diesem Moment hatte er sich geschworen, wenigstens eine einzige weitere Mayaschrift zu entdecken; und letztlich hatte ihn dieser Schwur an diese Tafel, zu Sutin geführt.
Irgendwann stellte Sutin die obligatorische Frage nach der Qualität der Speisen und nach weiteren Wünschen. Das eine oder andere mehr oder weniger harte Getränk wurde bestellt und kurz darauf wurden die Wünsche vom Tischlein deck dich erfüllt.
Nun bereitete Sutin seine Gäste auf das Video vor. Während seiner Ausführungen wurden sowohl das Kerzenlicht als auch das Kaminfeuer schwächer, bis sie schließlich ganz verloschen. Im Dunkel öffnete sich die Tischmitte und ein leuchtender Beamer fuhr hoch. Dieser warf ein waberndes Bild an eine Leinwand, die jetzt vor dem erloschenen Kamin herabhing.
Da er das Video kannte, beobachtete er die Anwesenden und etwas Seltsames fiel ihm auf. Während Jeff und Tori gebannt auf die Leinwand starrten, langweilten sich sowohl die beiden grauhaarigen Herren als auch die Kubanerin, so titulierte er die Dame, die sich als Celia vorgestellt hatte.
Die dichten Wolkenschichten wichen nach einigen Sekunden und das „Damned“ des Piloten ertönte, als das Plateau der Pyramide auf die Kamera zustürzte. Die Landekufen des Hueys schabten klirrend und Funken sprühend auf dem Steindach. Hier verharrte der Film im Standbild und ein roter Laserpunkt kreiste über dem einarmigen Wesen, das auf seinem Kopf einen kugelförmigen Helm trug.
Während Sutin mit seinem Laserpointer die Gestalt umkreiste, bat er alle Anwesenden, spontan ihre Meinung zu äußern. Jeff meldete sich zuerst.
„Diese eigenartige Kugel scheint aus Obsidian zu bestehen. Dieses schwarze vulkanische Glas ist auch als das Metall der Maya bekannt. In der Regel wurden aus Obsidian sehr scharfe Werkzeuge und Waffen hergestellt. Dazu schlug man mit einem Stein aus einem Obsidianrohling kleine Splitter ab, bis die gewünschte Form entstand. Ähnliches kennt man auch von der urzeitlichen Bearbeitung von Feuerstein.“
Sutin bedankte sich artig für Jeffs Ausführungen und bat um weitere Kommentare.
Erregt warf Cara ein: „Für mich als Hobbyarchäologen stell t sich an diesem Punkt eine entscheidende Frage - und dazu möchte ich hier einmal den Namen Erich von Däniken einflechten – ist die Herkunft des gläsernen Helms irdischer Natur oder nicht?“
„Höchstwahrscheinlich irdischer Natur“, antwortete Jeff und seine Erklärung folgte: „Das Gebilde in dem Film gleicht mit seiner leicht eiähnlichen Form einem Asteroiden und könnte ganz natürlich als Gasblase in einer Vulkanschmelze erstarrt sein.“
„Señor Cara, was ist Ihre Meinung, wer hat diese Pyramide erschaffen?“, kam es lauernd von Sutin.
„Vieles daran deutet auf di e spätklassische Phase der Mayakultur hin, womit ich die Bauzeit auf die Jahre 790 bis 910 nach Christus eingrenzen würde, und wenn wir hier nicht in Kolumbien wären, würde ich auf das Mayareich Copán tippen.“
Sofort hakte Sutin nach: „Wieso kommen Sie gerade auf Copán, Señor Cara?“
„Dazu möchte ich Sie bitten, noch einmal zurückzuspulen, bis die Nahaufnahme mit den eingemeißelten Mustern erscheint.“
Mehrere Steinfratzen erschienen, die alle etwas Bedrohliches ausstrahlten.
„Dies sind die Herrscherglyphen von Yax Pasaj Chan Yoaat. Er war der vorletzte Herrscher des Mayareiches Copán, dessen Ruinen man im heutigen Honduras besuchen kann.“
Tori räusperte sich und fragte: „Hat dieser Name irgendeine Bedeutung, gibt es dafür eine Übersetzung?“
„Ja, er bedeutet die aufgehende Sonne am Himmel und dann ist da noch ein Zusatztitel …“
„Zusatztitel?“, bohrte Tori weiter.
„Ja, ähm – Yoaat bedeutet so viel wie erigierter Penis, dies ist aber ein Titel eines Regengottes und gilt als Symbol für Fruchtbarkeit.“
„Ist ja interessant, dann gab es ja schon früher Machos“, lachte Celia laut auf. „Zu welcher Zeit hat denn dieser Yax Pasaj Chan Yoaat gelebt?“
„Überliefert ist nur seine Regierungszeit von 763
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