Mayabrut (German Edition)
fühlte sich beobachtet und schaute erschrocken auf. Der Alte hatte sein Mahl beendet und fixierte ihn. Plötzlich sprang er auf und bat Cara aufzustehen. Verdutzt folgte er den Anweisungen Akälajaws, der ihn zur Gittertür schob und das wenige Mobiliar zur Seite räumte. Nun machte sich Akälajaw an seiner Liegestatt zu schaffen.
Mühelos schob er das steinerne Lager die Wand entlang. Jetzt erkannte Cara, dass Akälajaws Bett auf einer Steinplatte lagerte, die nun knirschend über den steinernen Boden glitt. Stufen wurden sichtbar, die ins Dunkel führten. Cara erstarrte. War das der Geheimgang, der in die Freiheit führte?
Akälajaw nickte ihm zu, dann verschwand er. Vor Aufregung vergaß Cara, seine Taschenlampe einzuschalten, und stolperte dem Alten hinterher. Dessen grünes Leuchten hellte das Dunkel ein wenig auf, und so konnte er A kälajaw ohne Lampe folgen. Vorsichtig stieg er ausgetretene Steinstufen hinab, bis sich vor ihm ein lang gestreckter Raum auftat.
Sein Herz fing wild zu schlagen an und kalter Schweiß rann seine Stirn hinunter. War das etwa das ominöse Bücherlager, von dem Cholas Vater berichtet hatte? Ängstlich fragte er den auf ihn wartenden Akälajaw, ob er nun seine Lampe einschalten dürfe. Der nickte ihm zu und Cara fühlte am Lampenglas, ob der Grünfilter befestigt war. Seine Gedanken rasten. Langsam schob er den Schalter vor und erstarrte. Im grünen Schein erwachte ein Rudel von Jaguarf ellen zu stummem Leben. Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte Mayabücher, bespannt mit dem gefleckten Fell der Raubkatze, lagerten vor ihm auf steinernen Stufen. Fassungslos stierte er auf die steinerne Bibliothek. Jede der Stufen war ungefähr einen halben Meter hoch und breit, dann folgten viele weitere, die sich im Dunkel verloren. Langsam schwenkte er seine Lampe. Eine Armee verstaubter Codizes erstreckte sich stufenförmig bis zur Decke. Willkürlich griff er nach einem der fellbezogenen Werke. Es war handgroß. Sein pelziger Einband zerfiel unter seinen Fingern und Tierhaare schwebten zu Boden. Vorsichtig öffnete er das morsche Buch. Farbige Malereien wechselten mit Glyphen, den Schriftzeichen der Maya, und dazwischen reihten sich Linien und Punkte zu uralten Zahlenkolonnen.
Zitternd stellte er das Buch zurück und sank auf die Knie. Hier vor ihm lagerten in einer unvorstellbaren Menge die letzten schriftlichen Zeugnisse einer einstigen Hochkultur und ihm, dem Hobbyarchäologen Cara war es vergönnt, sie zu entdecken. Andächtig stand er auf und schritt die geheime Bibliothek ab. Am Ende blinkte etwas im Licht seiner Lampe auf. Sein Herz begann zu rasen. Da stand er, genau wie Chola es beschrieben hatte, Hun Nal. Metallisch glänzend, in der Gestalt eines Jünglings, dessen Hände über seinem Kopf einen funkelnden Maiskolben hielten, war der Maisgott zu kaltem Leben erwacht.
In diesem Moment ertönte ein dumpfes, kreischendes Geräusch und er zuckte erschrocken zusammen. Unsicher suchte er nach der Quelle des unheimlichen Lärms. Eine verputzte Mauer ragte vor ihm auf. War das die Wand, die Cholas Vater ausgebessert hatte? Ja! Er konnte noch die reparierte Stelle erkennen, da sie heller schimmerte als der restliche Teil. Risse zogen sich über die Wand und am Boden klaffte sogar ein kopfgroßes Loch. Er kniete sich davor und hörte jetzt deutlich das Kreischen der Kettensägen, die sich durch die Leichen fraßen.
Und dann blitzte in ihm ein Gedanke auf. Ängstlich blickte er sich um. Akälajaw war verschwunden. Hatte ihm der Alte eine Falle gestellt? Sein Blick irrte umher und blieb am Maisgott hängen. Seine Idee verschmolz mit der goldenen Gestalt. Er schätzte, dass die Figur eine Höhe von dreißig Zentimetern hatte - sie wirkte zierlich. Er versuchte, sie mit einer Hand anzuheben - vergeblich. Der Maisgott schien sich am felsigen Untergrund festzukrallen. Jetzt griff er mit beiden Händen zu und Hun Nal gab endlich seinen Widerstand auf. Die Statue war unheimlich schwer, und nur mit Mühe gelang es ihm, sie ein paar Zentimeter anzuheben. Für dieses enorme Gewicht konnte es nur eine Erklärung geben - Hun Nal bestand aus massivem Gold. Und Gold war genau der Köder, den er für Sutins Söldnerschar brauchte, und vielleicht würde ihn auch Jackson schlucken.
Noch einmal versicherte er sich, das Akälajaw nicht anwesend war, dann wuchtete er den goldenen Götzen zur Öffnung und schob ihn hindurch. Angestrengt horchte er, ob auf der anderen Seite etwas Ungewöhnliches passierte,
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