mayday mayday ... eastern wings 610
machte, mit seinem schmerzenden Kiefer so etwas wie eine Erklärung zustande zu bringen. »Sie sehen das falsch. Es ist … es ist so …«
»… daß Sie in einer fremden Stadt Zäune durchschneiden und Mauern hochklettern?«
Wieder kamen die Stiche. Den Kopf wenigstens konnte er drehen. Es folgte kein zweiter Streifenwagen. Und das konnte nur bedeuten: Sie hatten Kevin nicht geschnappt.
»Hören Sie, Sie können mich zu Ihrem Vorgesetzten bringen. Dort ließe sich alles aufklären. Wir können nach Frankfurt telefonieren. Sie haben doch sicher von dieser Flugzeugkatastrophe in Mallorca gehört oder gelesen?«
»Mallorca. Und? Was ist das?«
»Eine Insel.«
»Sagen Sie mir lieber, wo Sie hier wohnen, ehe wir von Inseln anfangen.«
»Coral Gables.«
»Feine Gegend für feine Pinkel. Seit wann?«
»Seit drei Tagen.«
»Zuvor?«
»Dupont Palace.«
Er dachte an Winter, den Empfangsmanager des ›Dupont‹. Winter könnte wenigstens seine Identität bestätigen. Doch es war bald drei Uhr morgens. Irgendein Nachtportier würde Dienst haben, kein Winter.
Der Cop auf dem Beifahrersitz, anscheinend der Streifenführer, griff nach dem Hörer und sprach in sein Telefon.
»Herrgott noch mal«, stöhnte Brückner. »Ich kapier' ja, daß das alles sonderbar klingt. Aber wenn Sie mir meine Geschichte schon nicht abnehmen wollen, meine Identität können Sie doch wenigstens überprüfen. Rufen Sie einfach den Chef der Lufthansa-Niederlassung in Miami an. Sein Name ist Hollmann, Theo Hollmann. Der ist sicher zu Hause. Holen Sie ihn meinetwegen aus dem Bett!«
Der Streifenführer hatte sich zu ihm umgewandt. Er hatte ein mageres, junges Gesicht. Mit den schwarzgefaßten, ovalen Brillengläsern wirkte er eher wie ein älterer Student als ein Polizist.
»Jetzt passen Sie mal auf: Diese Stadt ist voll von Komikern, wie Sie einer sind. Und es mag ja durchaus sein, daß Sie der größte Komiker sind, dem wir heute nacht begegnen. Der größte. Aber mit Sicherheit nicht der wichtigste. Bill, halt mal! Los, fahr rechts ran.«
Der Wagen stoppte vor einem von unzähligen, farbigen Glühlampen erhellten Eingang. Es war eines der Rocklokale in der Vierundzwanzigsten. Eine Gruppe rauchender Teenies in grellen Klamotten lungerte herum.
»So, jetzt noch was. Wie ich schon sagte, wir haben eine Menge anderer Dinge zu tun, als einem verrückten Piloten auf der Spur zu bleiben, der in der Nacht mit einer Drahtschere herumtobt. Aber ich werde Ihren Paß als Souvenir behalten. Den können Sie abholen. Hier.« Er zog eine Karte heraus und überreichte sie Brückner. »Da haben Sie die Adresse drauf. Dade County-Revier 14. Dort können Sie morgen als Geschichtenerzähler aufkreuzen. Und wenn ich Ihnen einen Tip geben darf: Kommen Sie gleich mit Ihrem Anwalt. – Los, Sam, schließ ihn auf.«
Die Handschellen fielen.
»Raus jetzt!« sagt der junge Mann mit der Brille.
Im Erdgeschoß waren noch immer die Fenster des Wohnzimmers erleuchtet, doch Brunos Tür war geschlossen. Endlich wurde der Riegel zurückgeschoben: Bruno erschien. Zu seinen Pyjamashorts trug er ein schwarzes Netzunterhemd. Die Augen, die Brückner anstarrten, waren verdrossen, die Lider rötlich geschwollen.
»Na ja, wer schon? Man soll sich nicht beklagen. Mir war schließlich von Anfang an klar, daß ich mir mit dir nur Theater einhandle.«
Brückner grinste mühsam.
»Sie haben dich also wieder laufenlassen, nachdem sie dir eine ans Kinn verpaßt haben.«
»Woher weißt du das?«
»Woher schon«, knurrte Bruno und ging ins Wohnzimmer voraus. Dort saß Kevin im Schaukelstuhl und hob müde die Hand. Eine Zigarette glomm in seinem rechten Mundwinkel.
Brückner sah ihn an. »Darauf brauche ich was zu trinken.«
»Bedien dich«, sagte Bruno. »Der Whisky ist alle, aber Bier gibt es noch immer.«
Brückner ging in die Küche, wusch sich den Mund aus und legte ein nasses Handtuch auf die schmerzende Stelle an seinem Kiefer. Auf das Bier verzichtete er. Er ging zurück und blieb vor Kevin stehen. »Wo, zum Teufel, hast du gesteckt?«
»Das kannst du hören. Das kann ich dir erklären. Aber zuerst will ich die fünfhundert Piepen hier auf dem Tisch sehen. Und sag mir bitte nicht, sie wären nicht fällig, nachdem alles schiefgelaufen ist.«
Die fünfhundert Dollar waren der Preis, den er Kevin für seine Mitwirkung versprochen hatte. Und Kevin hatte recht, sie waren fällig. Außerdem, vielleicht konnte er Kevin noch brauchen. Er mochte diesen sonderbaren,
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