mayday mayday ... eastern wings 610
auch Andros sein, alles könnte es sein, nur das nicht. Ruhe. Palmen. Anschließend ein Drink und ein kleines Kundengespräch, ein bißchen Schwimmen, ein bißchen Telefonieren – und der Tag war gelaufen. Aber hier, mit diesem Irren aus der Psychiatrie? Wanzen?
»Okay«, sagte er. »Wo ist Garry?«
»Er ist nicht da. Der ist beim Ausliefern. Die Weiber sind auch weg. Und das ist verdammt gut so. Aber um vierzehn Uhr ist das Sekretariat wieder besetzt. Wird das reichen?«
Antonio nickte. Er ging hinab ins Lager A, schloß den Stahlspind auf und entnahm ihm das Detektorgerät, das Lidell vor Jahren, bei seinem ersten Wanzenanfall, besorgt hatte. Er setzte die Sonde auf die Stabhalterung und begann damit, an den Telefonen Hör-, Sprechmuscheln und Bodenplatten aufzuschrauben. In den Büroräumen und im Lager A gab es elf Anschlüsse. Nach einer Stunde war Antonio halb tot vor Hunger und mit der Arbeit fertig.
»Nichts«, meldete er Lidell. »Alles sauber.«
Lidell nickte, ganz so, als habe er genau das erwartet.
Im Büro wurde inzwischen wieder gearbeitet. Sie standen am Eingang. Antonio beobachtete, wie Mary Lou kurz den Blick hochnahm, den Kopf schüttelte und weitertippte. Er dachte an Maria und die Kinder, und der alte, wohlvertraute Zorn schoß hoch. So heftig kam er, daß er Mühe hatte, ruhig zu atmen.
»Laß uns raus hier, Tony. Machen wir eine kleine Spazierfahrt. Frische Luft ist das beste. Du weißt doch, die haben ihre Richtmikrofone.«
Na klar, dachte Antonio. Richtmikrofone. Was sonst?
Sie setzten sich in Lidells brandneues De-Ville-Cabriolet. Antonio schloß die Augen und ließ den Wind um seine Nase streichen, was den Vorteil hatte, daß er Lidells Gebrabbel nicht mitbekommen mußte. Doch der drückte jetzt einen Knopf und das Verdeck senkte sich über sie.
Antonio blickte zum Rückspiegel hoch.
»Hast du irgendein Fahrzeug gesehen, das uns gefolgt ist?« fragte Lidell.
Er schüttelte den Kopf. Sie umrundeten das Universitätsgelände. Der Rasen war bunt betupft mit jungen Leuten. Lidell wurde ihm noch unerträglicher. Was er nun fühlte, war nichts als Haß. Er wußte, daß er ihn schon lange begleitete, nur, daß er ihn bisher erfolgreich verdrängt hatte.
»Paß auf, Tony, du fliegst morgen zuerst nach Georgetown. Und dann auf die Bahamas.«
Antonio nickte. Es kostete ihn Mühe, zu fragen, wozu dieser Flug gut sein solle.
Doch Lidell walkte weiter seine Zigarre mit den Lippen durch, wie er es bereits eine Stunde lang tat. Er zündete sie nicht an. Wie auch? Der Rauch konnte den Lungen schaden. Was wollte er, verdammt noch mal?
»Du fliegst zuerst nach Nassau. Und dann auf die Kaymans. Und zwar fliegst du mit Walt Hunter. Ich hab' ihm schon Bescheid gegeben.«
Hunter besaß einen Dassault-Privatjet. Er besaß ihn natürlich nur formal, der wahre Besitzer war ein Kolumbianer namens Ortega, einer von den Leuten, die in der Lidell Aircraft Corporation mitmischten, weil sie Anteile besaßen. Jedenfalls hatte der Dassault Ortega nicht nur bei der Geldwäscherei, die er mit Hilfe seiner Briefkastenfirmen auf den Bahamas und den Kaymans betrieb, hervorragende Dienste geleistet, er wurde, wie man munkelte, auch zum Kokaintransport verwendet. Und natürlich für die kleinen, sehr dringenden Geschäftsflüge.
»In Georgetown und Nassau löst du alle unsere Konten auf. Den Computer schmeißt du ins Meer. Unsere Disketten sind schon weggebracht. Ich lasse heute nachmittag auch die Festplatten austauschen.«
Paranoia hin und her – nun wurde Antonio Rosario doch aufmerksam. Der Alte schien ernst zu machen.
»Anschließend gehst du zu Anthony Bilkins. Er soll seine Bude dichtmachen. Alle Teile auslagern. Aber alle. Kein Schräubchen darf davon übrigbleiben.«
»Dazu braucht er mindestens drei LKWs.«
»Na und?« schnaubte Lidell. »Ich wiederhole nochmals: Keine Schraube darf gefunden werden! Ich habe Bilkins schon einen Brief geschrieben. Darin steckt auch ein Scheck für seine Ausgaben. Er soll für drei Wochen auf Tauchstation. Am besten verschwindet er ganz von den Bahamas. Ist das klar?«
»Ja.«
»Auf den Kaymans gilt das gleiche. Was André Masson angeht, kann er weitermachen wie bisher. Dort haben wir nur saubere Ware.«
Sie hatten die Washington Avenue erreicht. Das Postgebäude. Nun das Cameo-Theatre. Der De Ville glitt daran vorbei. Antonio hatte sich wieder in der Hand. Sein Gehirn arbeitete zügig, aber ruhig und präzise. Bei den Kunden waren FBI-Agenten aufgetaucht? Er
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