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mayday mayday ... eastern wings 610

mayday mayday ... eastern wings 610

Titel: mayday mayday ... eastern wings 610 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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abweisend und stumm. ›Ristorante‹ stand über einem Eingang. Er ging darauf zu. Die Tür war verriegelt, ›Oggi chiuso‹, stand auf einem Schild. ›Heute geschlossen‹.
    Auch der Krämerladen, nicht weit entfernt, hatte zu.
    Brückner ging zum Wagen zurück und sah einen kleinen Jungen auf einem Fahrrad herankommen. Er winkte. Der Junge stieg ab und beachtete ihn nicht weiter. In diesem Augenblick trat eine alte Frau aus einem der Häuser. Sie ging gebückt unter der Last einer Tragekippe, die mit Reisig beladen war.
    Es schien Brückner, als habe er sich in ein anderes Jahrhundert verirrt.
    »Prego, verzeihen Sie bitte, ich suche einen Herrn Enslin. Einen Herrn aus Zürich.«
    Sie sah ihn nur an, murmelte irgend etwas, schüttelte den Kopf und ging weiter. Er zweifelte, ob sie ihn überhaupt verstanden hatte. Vielleicht mochte dieses Aurigeno ein ganz brauchbarer Ort sein, um sich vor Gläubigern zu verstecken. Für einen Crossair-Ingenieur allerdings, der sich in den Kopf gesetzt hatte, bei San Remo eine Urbanisation hochzuziehen und dabei auf die Nase gefallen war, wirkte es reichlich merkwürdig.
    Nun war der Junge näher gekommen.
    Er schob gemächlich sein Fahrrad und betrachtete neugierig den Wagen. Er war wohl nicht älter als zwölf, hatte dunkles Haar, in das sich lustige kastanienrote Strähnen mischten, und dunkle, wache Augen.
    »Hör mal!«
    Verdammt, sein Italienisch? Spanisch konnte er doch. Und Spanisch war schließlich so etwas wie eine Vetternsprache des Italienischen.
    »Enslin, Max, Maximilian. Tu conosci?«
    Der Junge nickte.
    »Wo? Donde – dove?«
    Der Junge nahm den Arm hoch.
    »Ist es weit?«
    Der Junge zögerte, hob dann unschlüssig die Achseln und grinste. Für mich schon, hieß das.
    »Dann fahr mit mir!«
    Sie packten das Fahrrad in den Kofferraum des Clio und fuhren los.
    Die Straße führte aus dem Dorf, zwischen Wiesen hindurch, auf denen Kühe weideten. Sie erreichten den anderen Ortsteil. Auch der schien wie ausgestorben.
    Der Junge stieß ihn an. »A destra – rechts!« sagte er.
    Noch zwei Höfe. Brückner sah Hühner und eine Ziege. Es ging den Berg hoch. Am Hang wuchsen große Kastanien, dann Erlen und schließlich Tannen. Die Straße machte eine scharfe Kurve nach rechts. Unten glänzten die Granitdächer.
    Wo, verdammt, hielt sich dieser Max Enslin nur versteckt? Und da sah er es: Die Straße endete in einem Parkplatz, gerade groß genug, um ein Auto zu wenden. Etwa zwanzig Meter entfernt und beträchtlich tiefer stand ein Haus.
    »Max?« fragte er.
    »Si. Max.«
    Brückner griff in die Tasche, zog ein Fünffrankenstück heraus und drückte es dem Jungen in die kleine, schmutzige Faust. Dieser strahlte, zeigte dabei seine beiden Zahnlücken, hüpfte aus dem Wagen und war schon am Heck. Brückner folgte, öffnete die Kofferklappe und warf dabei einen vorsichtigen Blick den Hang hinab. Im Gegensatz zu all den Steindächern war Enslins Haus mit leuchtendroten Ziegeln gedeckt: eines dieser ländlichen, aus Betonstein errichteten Chalets, die in dieser Gegend als Ferienhäuser vermietet wurden.
    »Il Signore non c'è«, sagte der Junge.
    »Der Herr ist nicht da«, übersetzte Brückner für sich. »Macht nichts.«
    Der Junge hob die Hand und radelte davon.
    Es machte wirklich nichts, überhaupt nichts, im Gegenteil, nur den Wagen mußte er erst einmal aus dem Weg schaffen.
    Wieder blickte er zu dem Haus hinab, entdeckte eine Terrasse, auf der zwei Korbstühle und ein Tisch standen, und eine Wäscheleine, an der ein Handtuch flatterte. Was hatte das schon zu bedeuten? Die Korbstühle konnten seit Wochen dort stehen. Ein Handtuch vergißt man leicht. Allerdings, die Fensterläden waren geöffnet. Neben dem Haus gab es einen Schuppen.
    Er setzte sich wieder hinter das Steuer, wendete den Wagen, fuhr langsam den Hang hinab, bis zur Abzweigung eines Feldweges, der hinter Kastanien verschwand. Er ließ den Clio so lange über Furchen und Wurzeln schaukeln, bis er sicher war, daß er von der Straße her nicht mehr zu sehen war.
    Dann stieg er aus, in der Hoffnung, daß er von niemand bemerkt worden war, und ging die einsame Straße zu Enslins Haus zurück. Er ging langsam, voller Zweifel. Auf der Herfahrt war es ihm noch gelungen, den Gedanken an die Abwegigkeit seines Planes zurückzudrängen – Plan? Einen Plan nennst du das? Eine vage Hoffnung, eher eine fixe Idee. Die Vorstellung nämlich, daß einer, der sich mit krummen Geschäften derart in Schwierigkeiten brachte,

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