Mayday
ihn irgendwie zum Schweigen zu bringen – beispielsweise durch einen Scharfschützen –, konnten Sharon und Linda das gegen sie geschmiedete Komplott ans Tageslicht bringen. Viel wahrscheinlicher war allerdings, daß die Mörder die Flucht ergriffen, wenn sie sahen, wie aussichtslos ihr Vorhaben geworden war. Berry würde die Cockpittür erst öffnen, wenn der ganze Salon hinter ihnen voller Polizisten stand. »Ja, das müßte klappen, wenn wir zusammenbleiben. Wir dürfen niemand an uns heranlassen, bis wir wissen, wer diese Leute sind.«
»Einverstanden.« Crandall lächelte zufrieden. »Noch was?«
Berry sah sich im Cockpit um. Er bemühte sich, Vorkehrungen für alle denkbaren Fälle zu treffen? »Gibt’s hier vorn ein Schlauchboot oder eine Rettungsinsel?«
»Nein, die sind alle hinten.« Sharon machte eine Pause. »Die aufblasbare Rettungsrutsche unter dem Notausgang läßt sich auch als Rettungsfloß verwenden. Ich weiß nicht, ob sie viel taugt, aber sie wäre immerhin besser als gar nichts.«
»Ja, das stimmt.« Er überlegte kurz. »Bei ruhiger See traue ich mir eine Notwasserung zu. Am besten rekapitulieren wir das Verfahren gleich noch mal. Linda, hör gut zu, wenn Sharon uns jetzt …«
Das Klingelzeichen ertönte wieder.
AN FLUG 52: WIE VERSTEHEN SIE UNS ? BESTÄTIGEN SIE . SAN FRANCISCO
Berry schüttelte den Kopf. »Diese Schweine! Ich würde am liebsten antworten, daß wir uns im Anflug auf San Francisco befinden. Was sie wohl dazu sagen würden?«
Crandall starrte den Bildschirm an. »Das ist so … furchtbar. Was für Menschen sind das? Wie kann man versuchen, Unschuldige zu ermorden …?«
John Berry antwortete nicht gleich. Er erinnerte sich an seine Überlegungen, ob es möglich sei, die Gewitterfront zu überfliegen. Hätte er ausreichend Treibstoff, Sauerstoff und Selbstvertrauen besessen, hätte er dieses Wagnis auf sich genommen. Bei dem Höhenflug wären vermutlich Dutzende von Passagieren umgekommen. Berry fragte sich, ob er wirklich besser als ihre unbekannten Feinde in San Francisco war. »Das ist manchmal eine Frage der Zweckmäßigkeit. Im allgemeinen spielen keine persönlichen Dinge mit. Vielleicht sollten wir die Sache nicht zu persönlich nehmen.«
»Ich nehme sie sehr persönlich!«
Unterdessen kamen wieder Geräusche aus dem Salon: unartikulierte Laute, Jammern und Stöhnen, Schmerzensschreie Verletzter und Kratzgeräusche an der Cockpittür. Berry hörte, daß jemand mehrere Klaviertasten anschlug, und bildete sich einen Augenblick lang ein, jemand versuche das Instrument zu spielen.
Berry war sich darüber im klaren, daß diese Menschen bei einer Notwasserung ertrinken würden, und er gestand sich ein, daß er sehr wenig – sogar überhaupt nichts – zu ihrer Rettung unternehmen würde. Er sah auf seine Armbanduhr. Sie zeigte
14.24 an. »Bis zur Küste sind’s noch ein paar Stunden.« Berry überlegte, was er für eine Landung auf einem Flughafen brauchte. Er überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, daß der Autopilot weiterhin eingeschaltet war, schnallte sich los und stand auf.
»Wohin gehst du?«
Berry mußte lachen. »Nicht weit fort, darauf kannst du dich verlassen!«
Sie lächelte über ihre naive Frage.
Er kniete nieder und tastete den Boden unter dem linken Pilotensitz ab.
»Was suchst du?« erkundigte Sharon sich.
»Flugsicherungskarten. Ich brauche die Frequenzen der Funkfeuer.«
»Die Funkgeräte sind ausgefallen.«
»Der Radiokompaß funktioniert vielleicht noch. Er ist von den Funkgeräten unabhängig.« Berry suchte weiter, stand aber mit leeren Händen auf. »Verdammt noch mal! Die Karten sind wahrscheinlich aus dem Cockpit gesaugt worden. Dabei bräuchten wir sie dringend.« Ihre Aussichten, den Flughafen San Francisco ohne sein Funkfeuer zu finden, waren sehr gering – selbst wenn sie genug Treibstoff gehabt hätten, um die Küste abzusuchen, was nicht der Fall war.
»Wie wichtig sind sie?«
»Wahrscheinlich kommen wir auch ohne sie zurecht.« Berry nahm wieder Platz. »Sobald wir in Küstennähe sind, können wir alle Funkfrequenzen absuchen. Wir finden bestimmt die richtige.« Aber er wußte, daß es zu viele Frequenzen gab und daß ihnen nicht genug Zeit blieb, um sie durchzuprobieren.
Crandall löste ihren Gurt. »Ich suche hier drüben.«
»Okay.«
Sie beugte sich nach vorn und tastete den Boden unter dem Kopilotensitz ab. »Nichts. Augenblick …« Sharon griff in den Spalt zwischen Sitzrand und Seitenkonsole. »Hier
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