Mayra und der Prinz von Terrestra (German Edition)
herzförmiges Gesicht. Das aber war nun voll Hass verzerrt, einem Hass, der gar nicht zu dem Mädchen passen wollte. Noch mehr befremdeten Mayra die Rufe von: „Tötet ihn! Tötet ihn!“, die Männer und Frauen gleichermaßen skandierten. Wie am Anfang donnerte der Herold seinen Stab auf den Boden. Es dauerte bis zum dritten Schlag, bis alle Terrestraner verstummt waren und sich tief verbeugten, Mayra mit ihnen. Über den Rücken ihrer Vorderleute konnte sie erkennen, wie Djuma sich, mit völlig ausdruckslosem Gesicht, erhob und den Saal verließ.
„Pause!“, rief der Herold und donnerte seinen Stab auf den Boden. Die Terrestraner richteten sich wieder auf, und ohne dass Mayra sich dagegen wehren konnte, wurde sie mit der Menge nach draußen in den Flur geschwemmt. Dort blieb sie neben der Tür stehen, mit dem Rücken zur Wand. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Das konnte nicht sein, dass Djuma einen Mann zum Tode verurteilte, dass wegen Djuma ein Mensch starb und das auch noch wegen so etwas Geringfügigem wie dem Diebstahl eines Pferdes!
Die meisten der Schaulustigen verließen für die Pause den Gerichtssaal und drängten an Mayra vorbei Richtung Außenhof. Sie unterhielten sich leise und fröhlich. Dem Ton ihrer Gespräche nach war die Verhandlung für sie das gewesen, was für die Kinder auf Unionia das Spielen mit den Avataren war: beste Unterhaltung. Mayra blieb an der Tür stehen. In ihrem Kopf rasten die Gedanken. Das musste sie klären. Sie musste Djuma finden! Sie wusste nicht, wo er hingegangen war, und sie hatte Angst sich in dem Palast zu verlaufen. Aber das war ihr egal. Sie ging los.
Nachdem sie den Innenhof hinter sich gelassen hatte und zwei Gänge hinabgelaufen war, wusste Mayra schon nicht mehr, wo sie war. Sie blieb stehen, schaute sich um. Die Gänge sahen alle gleich aus. Sie atmete tief durch und konzentrierte sich. Auf einmal hatte sie, ohne dass sie wusste woher, eine Idee, wie sie zu laufen hatte. Da ihr nichts Besseres einfiel, folgte sie dieser Intuition und nahm den Gang nach rechts. Über Treppen und Flure ging es hinauf und hinunter und kreuz und quer, und gerade als Mayra sich ernsthaft fragte, was sie da machte, sah sie den Prinzen in Begleitung eines Dieners und des Herolds vor ihr um eine Ecke biegen. „Djuma!“, rief sie und rannte ihm hinterher.
Der drehte sich um, und zum ersten Mal leuchteten seine Augen nicht auf, als er sie erkannte. Ernst, fast unfreundlich fragte er: „Was machst du hier?“, als sie herankam.
Ein bisschen verunsichert blieb Mayra vor ihm stehen. „Ich, ich war bei der Gerichtsverhandlung.“ Sie stotterte ein wenig.
Djuma machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Der Diener und der Herold schauten neugierig, und zumindest der Herold schien zu verstehen, was sie sagten, obwohl sie Standard sprachen. Mayra war so unter Druck, dass sie Djuma trotzdem konfrontierte. „Das habe ich nicht richtig verstanden oder? Du hast den Mann da gerade eben nicht zum Tod verurteilt? Das kann doch nicht sein!“
Bevor sie noch weiterreden konnte, packte Djuma sie am Ärmel und zog sie durch eine Tür. Sie standen in einem Audienzsaal. „Leise!“, zischte Djuma sie an, während er Mayra weg von der Tür zu den Fenstern zog. Dort stellte er sie hin, eher unsanft, und fragte leise, aber mit mühsam verhaltener Wut in der Stimme: „Was hast du dir dabei gedacht? Einfach im Gericht zu erscheinen. Das geht dich überhaupt nichts an!“
Mayra wurde knallrot. „Sag mal, in welchem Ton redest du mit mir?“, platzte es aus ihr heraus. Wütend starrte sie Djuma an.
Der sah sie erst wortlos an. Dann trat er einen Schritt zurück. Seine Stimme klang hart, als er sagte: „Ich kann dir das jetzt nicht erklären. Draußen stehen meine Leute. Ich muss weiter. Der Diener wird dich nach draußen bringen.“
„Nein!“, rief Mayra. „So einfach geht das nicht!“ Wortlos maßen sie sich mit Blicken. In Mayra tobte es, eine wilde Mischung aus Ärger über Djumas Verhalten, Verwirrung wegen des Urteils und die Angst, ihn zu verlieren. Schließlich gab sie auf und wandte sich ab zum Gehen.
„Mayra!“, rief Djuma sie zurück. Sie drehte sich um. „Kannst du zu Myrddin kommen, morgen Mittag?“, fragte der Prinz sie. Sein Ton war hoheitsvoll, aber immerhin fragte er sie.
Mayra überlegte einen Augenblick. Es passte ihr nicht, weggeschickt zu werden wie ein lästiges Kind. Aber sie wusste auch, dass es jetzt keine Gelegenheit gab, in Ruhe zu reden. Der Prinz hatte
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